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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Antiquitätengeschäft auftauchte und Wullenwever sein Talent erkannte. Bis zu den Auftragsarbeiten und der thematischen Verengung war es dann nur noch ein kleiner Schritt, der ihre Beziehung festigte und sie aneinanderband, denn Wullenwevers Provision wurde zu einem festen Bestandteil seiner spärlichen Einkünfte.
    „Ich höre mich mal um“, sagte Wullenwever, „vielleicht ergibt sich ja was.“
    Ricky nickte, aber eher, um das Gespräch zu beenden. Er war frustriert und bestellte noch eine Runde Bier und Korn und nahm sich vor, sich zu betrinken. Eine gute Grundlage hatte er nach dem Labskaus und er wusste, es würde lange dauern, bis er dun war. Wullenwever vertrug nicht viel, ihm reichte es. Nach zwei, drei Gedecken begann er aufzustoßen und sich unwohl zu fühlen. Sein Magen, wohl auch eine Folge seines bewegten Lebens. Alles hat seinen Preis, dachte er manchmal. Er klopfte mit dem Knöchel zum Abschied auf den Tisch, erhob sich und trippelte zur Theke, um zu zahlen. Dann kehrte er um, schaute auf Ricky herunter, der den Kopf gesenkt hielt, und sagte: „Scheißabend. Hätte ich mir auch anders vorgestellt. Nichts für ungut.“
    Er tätschelte Rickys Schulter und ging.
    Ricky blieb sitzen und kippte seinen Korn.

9. Kapitel

    Günter nahm wieder regelmäßig am Abendbrot teil. Die Schlechtwetterperiode hatte begonnen und am Bau wurde wenig und meist gar nicht gearbeitet. Er hatte, wie alle anderen Bauarbeiter auch, zu Weihnachen kündigen müssen mit der Handschlag-Zusage in der Tasche, im Februar wieder eingestellt zu werden. Durch seine exzessive Überstundenknüppelei hatte er so viel gespart, dass das Geld wohl reichen würde. Die letzten Tage verbrachte er auf dem Lagerplatz der Firma mit Instandsetzungs- und Aufräumarbeiten, die Abende in der Familie Lorenz. Das frostige, sich gegenseitig anschweigende Verhältnis zwischen Christian und seinem Vater war ihm unangenehm, da war etwas passiert, was er nicht einordnen konnte. Renate speiste ihn mit „Krach kommt in jeder Familie vor“ und „Die beruhigen sich schon wieder“ ab, sie ahnte wohl, dass Waffen-SS und HIAG nicht unbedingt ein Thema zwischen ihnen sein sollten, obwohl Fritz Lorenz aus seinen Weltanschauungen keinen Hehl machte und Günter sie zur Genüge kannte. Sie waren ihm egal, er wollte die Tochter heiraten, nicht den Vater. Die Fahrten zu den Treffen hatten sie nie besprochen, wenn Günter da war, das ging ihn nichts an, sie als Ferienfahrten der Männer abgetan, ihn aber auch nie eingeladen, daran teilzunehmen; so weit ging die Aufnahme in die Familie Lorenz nun doch nicht.
    Günter, der sich weder für Geschichte noch Politik interessierte, fragte nicht nach. Was hätte er auch beisteuern können? Die Nazizeit war vorbei und alles war nicht nur schlecht gewesen. Autobahnbau und keine Arbeitslosigkeit mehr nach Versailler Vertrag und Weltwirtschafskrise, Inflation und Weimarer Republik. Da waren sie sich sowieso einig, ebenso wie über die rote Gefahr.
    Auch auf dem Bau hielt er sich heraus, wenn sich vor allem die älteren Kollegen in die Haare kriegten. Pulle Bier schon in der ersten Pause um neun Uhr mit dem rechten Daumen mit einem Plopp geöffnet, den Hammer in die Schlaufe am Hosenbein gesteckt, die Blechdose mit den Schmalzschnitten auf den Knien und dann nach dem ersten tiefen Schluck losgelegt: Adenauers absolute Mehrheit, Willy Brandt Regierender Bürgermeister in Berlin, KPD-Verbot letztes Jahr, immer wieder, Chrutschow neuer Kreml-Chef, Sputnik und Kalter Krieg, Untergang der Pamir, die waren alle noch so jung, einer kannte sogar einen. Gewerkschaft IG Bau-Steine-Erden und die Bonzen. Georg „Schorsch“ Leber war gerade Vorsitzender geworden, erster Tarifvertrag, 40-Stunden-Woche und freier Samstag, hat er gut gemacht. Adolf ließen sie aus, einige von ihnen waren als Kommunisten oder Sozis im Gefängnis oder KZ gewesen. Bauarbeiterehre.
    Fritz Lorenz konnte mit seinem Sohn nichts mehr anfangen. Das Seil zwischen ihnen war zerrissen, so empfand er es. Er konnte sich nicht vorstellen, was in dessen Kopf vorging, und Christian machte keine Anstalten, es ihm zu erklären. Er zog sich zurück, blieb stumm und höflich, versuchte, keine Angriffsfläche zu bieten. Ein Entrinnen aus dem abendlichen gemeinsamen Essen gab es nur in Ausnahmen. Ihre Gespräche reduzierten sich auf Abfragen und Aufgaben, die zu erledigen waren, Schule und Rudern, weniger ging nicht. Meist unterhielten sich die anderen und Christian beteiligte sich

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