Androidenträume
Lehane.«
»Dieser Eindruck beruht auf Gegenseitigkeit, Mr. Toshima. Sie sind ein Überlebender des Sechsten. Ich kann mir vorstellen, dass Sie wissen, wie es ist, Menschen aus der Hölle zurückzuholen.«
»Ich weiß es«, sagte Creek. »Zumindest ein paar.«
Brian ließ sein Bewusstsein vor dem virtuellen Gebäude treiben, das das Computernetzwerk der Kirche des Höheren Lamms war, während er sich überlegte, wie er am besten hineingelangen konnte.
Einige Stunden zuvor hatte Brian mit Befriedigung vernommen, dass sein älterer Bruder den Versuch der Nidu zurückgeschmettert hatte, Robin Baker als Eigentum klassifizieren zu lassen, und ihnen den Antrag um die Echsenohren gehauen hatte. Brian war vor väterlichem Stolz fast geplatzt, als er das Urteil des Richters gelesen hatte. Ben war in der Familie schon immer der kluge Junge gewesen, der das besondere Talent hatte, sich intellektuell hinterrücks an seine Gegner anzuschleichen und ihnen eine Kopfnuss zu verpassen, was auch in diesem Fall geschehen war. Doch Brian glaubte nicht, dass mit dem Urteil bereits das letzte Wort gesprochen war. Wenn jemand die Meinung vertrat, dass ein Mensch genauso viele Rechte wie ein Nachttischwecker hatte, würde er sich nicht durch einen Richterspruch aufhalten lassen. Man würde schon bald wieder hinter Robin her sein – und damit auch hinter Harry. Brian fühlte sich verpflichtet herauszufinden, was diese Leute taten, sie nach Möglichkeit daran zu hindern oder Harry zumindest mitzuteilen, was er zu erwarten hatte.
Kraft Harrys besonderer Zugangsberechtigungen wusste Brian alles, was auch die UNE über die Lage wusste, doch das war zu wenig, um vorhersagen zu können, was die Nidu als Nächstes tun würden. Es gab zwei Mitspieler, die Informationen besaßen, die Brian nicht zugänglich waren, die er aber dringend benötigte. Einerseits war das die Regierung der Nidu und andererseits die Kirche des Höheren Lamms, die während der ganzen Zeit durch Archie McClellan auf dem Laufenden gehalten worden war.
Brian erkundigte sich über diese beiden Parteien, was in seinem Fall bedeutete, dass er aus allen verfügbaren Datenbanken die entsprechenden Informationen abrief. Dieser Vorgang beanspruchte mehrere Sekunden. Es überraschte ihn kaum, dass er auf zwei signifikante Verbindungen zwischen der niduanischen Regierung und der Sekte stieß. Die erste war, dass die Kirche im Auftrag der UNE für die Nidu die Androidentraum-Schafe gezüchtet hatte (oder genauer gesagt ihr Genlabor, das zum weitverzweigten Hayter-Ross-Konzern gehörte). Noch genauer gesagt war die Züchtung für die auf-Getag-Sippe produziert worden, bevor sie seinerzeit ihren Anspruch auf den niduanischen Thron geltend gemacht hatte. Das war eine durchaus interessante Information, denn sie bewies, dass die UNE schon lange vor der Entscheidung auf den künftigen Thronfolger gesetzt hatten. Schließlich brauchte die Entwicklung einer völlig neuen Schafrasse Zeit.
Die zweite Verbindung war, dass die UNE mit der Einrichtung des Computernetzwerks, das derzeit von den Nidu benutzt wurde, beauftragt worden waren. Auf diese Weise hatten sich die auf-Getags für die Streicheleinheiten erkenntlich gezeigt, die sie zuvor von den UNE erhalten hatten. Die UNE wiederum hatten den Auftrag an mehrere Firmen weitergegeben – bei denen es sich einschließlich des Subunternehmers LegaCen, der die Organisation übernommen hatte, zu zwei Dritteln um Firmen gehandelt hatte, die unter dem Dach des Hayter-Ross-Konzerns arbeiteten.
Die Details des Computersystems waren nicht einsehbar (natürlich nicht – schließlich war es ein niduanisches Staatsgeheimnis), aber im Wesentlichen ging es darum, dass der Fehen der Nidu über das Netzwerk uneingeschränkten Zugriff auf jeden netzwerkfähigen Computer und praktisch jedes technische Gerät im Einflussbereich der Nidu hatte. Und das betraf tatsächlich fast die gesamte Technik der Nidu, denn bei ihnen war es gesetzlich vorgeschrieben, dass jedes Gerät mit einem Prozessor in das Netzwerk eingebunden sein musste. Nicht ganz so umfangreiche Kontrollmöglichkeiten, die nichtsdestotrotz Orwell’sche Ausmaße hatten, gewährte der Fehen anderen hochgestellten niduanischen Funktionären, die selbstredend gegenüber dem Staatsoberhaupt völlig loyal waren. All das geschah im Dienste der totalen, zentralen Herrschaft. Im technologisch orientierten Zeitalter war eine Revolutionsbewegung, die Nachrichten auf Papier austauschte, zur
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