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Androidenträume

Titel: Androidenträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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letzten zwei Tage auf der Pajmhi-Ebene, aber diese Minuten rangierten eindeutig auf den oberen fünf Plätzen seiner Topliste.
    Creek löste seinen Gurt und schwebte in der plötzlichen Schwerelosigkeit von seinem Sitz zum Bullauge. Er sah die Neverland und erkannte im Promenadendeck eine Vakuumversiegelung, wo sich zuvor ein Aussichtsfenster befunden hatte.
    »Dieser Mistkerl!«, sagte Creek voller Bewunderung. »Er hat sie in den Weltraum geschossen.« Er nahm sich vor, Lehane einen auszugeben, wenn sie diese Sache lebend überstanden.
    Das Triebwerk der Rettungskapsel aktivierte sich. Creek zog sich auf seinen Sitz zurück, bis die Düsen verstummten. Danach löste er wieder den Gurt und kehrte zum Bullauge zurück.
    »Was siehst du?«, fragte Robin.
    »Rettungskapseln, die aus der Neverland kommen. Sehr viele. Willst du mal schauen?«
    »Ich glaube nicht«, entgegnete Robin. »Diese Schwerelosigkeit bekommt meinem Magen nicht so gut.«
    Creek bemerkte einen Lichtblitz am Rand seines Sichtfeldes, gefolgt von einem weiteren genau vor dem Bullauge. »Auweia«, sagte er.
    »Was ist?«
    »Ich glaube, die Nidu schießen auf die Rettungskapseln.«
    »Natürlich tun sie das«, sagte Robin. »Schließlich sind wir immer noch am Leben, Harry. Das kann doch einfach nicht sein!« In ihren Worten lag eine Verbitterung, von der Creek fand, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig gerechtfertigt war.
    Ein weiterer Blitz, schon viel näher, und dann noch einer. Der nächste war höchstens einen Kilometer entfernt.
    »Vielleicht schaue ich doch mal«, sagte Robin und zerrte an ihrem Gurt. »Wenn ich hier sitzen bleibe, geht es meinem Magen auch nicht besser.«
    »Vielleicht solltest du deinen Sitz nicht verlassen«, sagte Creek.
    »Warum?«
    Creek wollte ihr gerade antworten, als plötzlich etwas Großes einen beträchtlichen Teil des Sichtfeldes einnahm, das ihm das Bullauge gewährte.
    »Vergiss, was ich gerade gesagt habe«, sagte Creek. »Das hier solltest du dir auf jeden Fall ansehen.«
    Robin löste den Gurt und schwebte zum Bullauge hinüber. »Was genau soll ich mir ansehen?«
    »Das sehr große UNE-Schiff«, sagte Creek und zeigte darauf. »Genau dort. Und genau im richtigen Moment.«
    »Wie meinst du das? Es wäre ›genau im richtigen Moment‹ gewesen, wenn wir noch an Bord der Neverland wären. Ich würde eher sagen, dass sie ein wenig zu spät eingetroffen sind.«
    »Glaub mir.« Creek lugte wieder durch das Bullauge, um zu sehen, ob es weitere Lichtblitze gab, die explodierende Rettungskapseln anzeigten. Aber es kamen keine mehr. »Sie sind genau im richtigen Moment gekommen.«
    Plötzlich wurde die Kapsel heftig durchgeschüttelt.
    »Was war das?«, fragte Robin.
    »Atmosphäre«, sagte Creek. »Wir sind auf dem Weg zur Oberfläche von Chagfun. Du solltest dich wieder anschnallen, Robin. Der nächste Teil der Wegstrecke dürfte ziemlich holprig werden.«

15

    Durch einen jener Zufälle, die völlig unglaubwürdig wären, wenn sie nicht tatsächlich passieren würden, startete Creeks und Robins Rettungskapsel fast genau zu dem Zeitpunkt, als die Frist für die auf-Getag-Sippe ablief, in der sie mit der Krönungszeremonie hätte beginnen müssen. Was danach folgte, war ein Machtkampf, der so schnell, ausgewogen und anmutig ausgeführt wurde, dass die Medicis, die Borgias und ihre Entsprechungen in allen Zeiten und Kulturen, hätten sie davon gewusst, aus ihren Gräbern auferstanden wären, um die Genialität dieser Aktion mit tosendem Applaus zu begleiten.
    Als die Frist zu Ende war und dann noch einen winzigen Sekundenbruchteil später gab das niduanische Computersystem die Anweisungen aus, die für den Fall galten, wenn das derzeitige Herrschergeschlecht nicht in der Lage war, rechtzeitig einen Thronfolger zu krönen. Die höchsten Zugriffsrechte, die bisher in vorauseilendem Vertrauen der designierte Erbe der auf-Getags innegehabt hatte, wurden widerrufen und alle wichtigen Verwaltungsfunktionen auf die Minister und Generäle verteilt, die die höchsten Positionen in der niduanischen Hierarchie einnahmen. Von dieser Sekunde an – und bis ein Herausforderer erfolgreich seinen Anspruch auf den Thron geltend machen konnte – gab es keinen einzelnen Nidu mehr, der die uneingeschränkte Herrschaft über die Verwaltung hatte.
    Zum Zeitpunkt t plus zwei Minuten (um eine menschliche Maßeinheit zu benutzen) stellte Ghad-auf-Getag, der Oberkommandierende des niduanischen Militärs und Onkel des bislang

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