Andromeda
auch nur eine Faustvoll. Und ich ernähre dich auch gut. Ich bringe dir Metalle von dort, wohin du nicht darfst. Reine Metalle, keine Oxide. Nun, was sagst du dazu?
Du bist rätselhaft, ALKARE, erwiderte die GROSSE AMÖBE. Du übertrittst deine eigenen Gesetze. Willst du gegen den Beschluß der Hermetik verstoßen? Weißt du nicht mehr, was der RAT DER HUNDERTMAL REPRODUZIERTEN festgelegt hat, bevor er die VERSCHLOSSENEN KAMMERN betrat? Auch ich falle unter das Gesetz der Schlafenden. Willst du es brechen?
Ich breche es! dachte ich beklommen zurück. Ich muß es brechen, wenn du auch nicht weißt, warum. Du mußt mir nur vertrauen, das ist alles. Ich werde dich nicht mißbrauchen.
Da geriet die GROSSE AMÖBE in Aufregung – ich kann es nicht anders bezeichnen.
Zunächst einmal setzte sie mich sanft auf dem Kraterrand ab, direkt neben meinem Kletterseil und dem Vorratssack. Dann begann es unten im Trichter zu wallen und zu wogen. Die AMÖBE hob sich zu den oberen Galerien hinauf, riß die dort ruhenden Teile mit sich in die Tiefe, stieg abermals, füllte die Stollen erneut, und endlich war es, als wolle sie die gesamte ihr hier zur Verfügung stehende Substanz um und um wälzen wie der Bäcker den Teig. Ich nahm an, daß sie auf solche Art auch noch den geringsten Restteil ihrer Masse in die vor ihr liegende Entscheidung einzubeziehen versuchte.
Ich erkannte, wie diszipliniert die AMÖBE im Grunde war. Von sich aus – sozusagen mit Bedacht und Vorsatz – hätte sie nie, auch in kleinsten Teilen nicht, den Krater verlassen. Die Substanzmengen, die sich jeweils nach den Beben und Bergzusammenbrüchen klagend und blasenwerfend durch die Täler und Städte wälzten, mußten durch die zusammenstürzenden Bergmassen mit Gewalt aus den Kratern herausgeschleudert worden sein. Und dann allerdings fehlte ihnen eben die BASIS. Sie glichen dann losgerissenen Fingern, die keine steuernde Hand mehr besaßen, von einem lenkenden und leitenden Hirn ganz zu schweigen.
Ich erkannte dann, daß die GROSSE AMÖBE nicht so ohne weiteres zu einem Entschluß gelangen würde. Sie hatte mich jetzt völlig aus der telepathischen Bindung entlassen, und ihr Ringen mit sich selbst hielt unvermindert an. Sie begann nun auch noch die Farben zu wechseln, strahlte unvermittelt ins Rötliche hinüber, dann ins Gelbe, und so ging das Stunde um Stunde weiter.
Währenddem merkte ich dann, daß ich trotz allem Hunger und Durst gehabt haben mußte und daß die AMÖBE mich lediglich durch Suggestion darüber hinweggetäuscht hatte. So begann ich denn mit einem brennenden Appetit zu essen und zu trinken. Danach konnte ich nur noch warten, und Stunde um Stunde verrann.
Als die Sonne den Zenit längst überschritten hatte, wurde mir klar, daß alles, was ich zur AMÖBE gesagt hatte, nicht ausreichen würde, um sie zum Gesetzesbrecher zu machen. Es brauchte offenkundig handgreiflicherer Argumente.
Hörst du mich noch? fragte ich sie behutsam. Kann ich etwas tun, um dir die Entscheidung zu erleichtern?
Die AMÖBE schwieg. Sie brauchte all ihre Kraft für sich selbst.
Schau, begann ich abermals, dies gebe ich dir zur Nahrung. Es ist zwar nur eine Kostprobe, aber wenn ich dir noch mehr davon bringe, würdest du wieder zu Kräften kommen.
Und ich warf meine Brechstange hinunter in den Krater. Der Erfolg war verblüffend. Ich glaube nicht, daß sie meine Gedanken noch aufgenommen hatte – die Brechstange jedenfalls nahm sie auf.
Dort, wo das Metall in die AMÖBE eingetaucht war, begann sie gleichsam zu sieden. Auch die Farbe wechselte im Nu wieder ins Grüne hinüber, und große Blasen stiegen auf, die jedoch keine giftigen Dämpfe entließen, sondern – wenn ich die nahezu berauschende Wirkung, die sie auf mich ausübten, in Betracht zog – reinen Sauerstoff. Dann warf sich die AMÖBE in einem gewaltigen Aufbäumen bis fast zu mir empor. Einen Augenblick lang dachte ich, sie wolle überquellen und in breitem Strom den Krater verlassen. Doch im letzten Moment hielt sie inne, verharrte sekundenlang in scheinbarer Ruhe und fiel dann schnell und immer schneller in sich zusammen.
Ich schaute dem allen staunend zu. Die drei obersten Galerien ringsum im Krater blieben angefüllt mit auffällig kräftig lumineszierenden Massen, doch aus allen darunterliegenden Etagen stürzte es tosend und in kataraktischen Ergüssen in die Tiefe hinab. Und dann starb die AMÖBE dort unten. Ihr Glimmen wurde ständig schwächer, und als der neue Abend anbrach, lag der
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