Andromeda
beobachtet hatte, und nur, daß ich jetzt nicht mehr mit bloßen Händen ihnen gegenüberstand. Ganz und gar nicht. Ich wußte einen mächtigen Helfer in meinem Rücken.
Ich verweilte noch einige Minuten im stummen Schauen. Es war schon so: Sie schienen hier Wache halten zu wollen von nun an bis in alle Ewigkeit. Wenn nicht droben in meinem Zimmer jene nächtliche Lautsprecherstimme gewesen wäre, die mich auf den Abschied von Piros hatte vorbereiten wollen – ich hätte es beinahe geglaubt: Von nun an bis in alle Ewigkeit!
Dann fiel mein Blick wieder auf die Säule mit den rot flammenden Schriftzeichen: Alpha gleich Omega! Das gab mir meinen Mut zurück und auch das Bewußtsein, welch schwerwiegender Entscheidung ich entgegenging – so oder so.
Ich wandte mich ab und konzentrierte mich nun völlig auf das, was ich vorhatte. Die AMÖBE war in den kurzen Gang hineingequollen, hatte jedoch vor der Tür haltgemacht und lediglich mit einigen Ausläufern verhindert, daß der Steinblock zurückglitt und den Weg verriegelte. Es war, als ob sie mitdächte und sich in Bereitschaft hielt.
Ich zollte ihr ein knappes Lob und sprach sie dann mit jenen entscheidenden Sätzen an, die ich mir lange vorher schon zurechtgelegt hatte.
Ich sprach sie an? Sollte ich nicht besser sagen: Ich dachte sie an? Gut also, ich dachte sie an!
Komm! befahl ich jedoch. Komm! Habe Vertrauen! Aber tu keinem lebenden Wesen ein Leid an! Keinem, hörst du?
Es schien dann tatsächlich, als denke sie nicht bloß mit, sondern begriffe auch den vollen Ernst der Stunde. Sie setzte sich in gleitende Bewegung, drang links und rechts an mir vorbei, schob sich unter mir hindurch und quoll über mich hinweg, und unversehens fand ich mich wieder eingeschlossen von ihr. Es hatte beinahe den Anschein, als wolle sie mich schützend umgeben, gleichsam in einen Panzer hüllen, wie die alten Ritter sie getragen. Ich war erstaunt und dann fassungslos, als ich unvermittelt spürte, daß mein Kontakt zu ihr abgerissen war. Ich mochte denken, ich mochte schreien – sie blieb stumm und trug mich nur vorwärts, der gläsernen Wand entgegen.
Vielleicht war es auch früher so gewesen – ich meine, daß sie den Kontakt abbrach und aus sich heraus handelte –, wenn ihre Schöpfer sie gefährlichen Situationen entgegengestellt hatten, doch mir paßte das nicht. Dennoch vermochte ich nichts dagegen zu tun. Nicht einmal aus ihrem Körper ließ mich die AMÖBE heraustreten. So lernte ich also zum Schluß noch eine neue Seite an ihr kennen. Womöglich war dieses Verhalten sogar besonders vorteilhaft. Sie besaß schließlich ihre Erfahrungen, und jedes Kommando meinerseits hätte bloß Zeit gekostet. So schien sie also auf Anweisungen bewußt zu verzichten und nach einem ganz bestimmten Schema vorzugehen. Jedoch ausgelöst worden war dies alles sicherlich von dem einen Wort: Gefahr! Ich hatte dieses Wort zwar nicht ausgesprochen, es auch nicht gedacht, aber es war wohl dennoch in mir gewesen, und die AMÖBE hatte es erspürt.
Es ging nachher alles sehr rasch. An der gläsernen Wand angekommen, stieg die AMÖBE in breiter Front daran empor, überzog die gesamte Fläche lückenlos mit ihrem Plasma, und dieser Frontteil begann die Farbe zu wechseln, steigerte sich in immer grelleres Grün hinein, dem sich nach und nach blendendweiße und nachtblaue Töne beimischten. Dann begann die Luft zu erbeben von machtvollen Klängen. Das war zunächst ein knurrendes Dröhnen, nicht unähnlich den Geräuschen, wie sie von überlasteten Transformatoren ausgehen, doch bald schon schnellte dieses Dröhnen rasend empor zu einem schrillen Pfeifen und Jaulen, daß es klang, als würden an einer Granitwand hundert Hochgeschwindigkeitsbohrer zugleich in Betrieb gesetzt.
Nun endlich reagierten die da drinnen. Für den Bruchteil einer Sekunde vermochte ich ihre erschrocken hergewandten Gesichter zu erkennen. Das war aber auch schon alles. Aus der AMÖBE brach ein sonnenheller Glutball hervor und löschte alles andere aus. Der Glutball löste sich auf zu flammenden Adern, die wie ein blendendes Spinnennetz die Wand da vorne überzogen. Jetzt bebten auch noch der Boden, die Wände und alles ringsumher. Dann erscholl ein berstendes Kreischen, und da mußte dann wohl endlich die gläserne Wand zusammengebrochen sein, zerfetzt in Millionen Splitter.
Das Feuer vor mir erlosch wie weggewischt, und ich konnte wieder erkennen, was vor sich ging. Ich spürte es auch. Die AMÖBE machte einen wilden Satz
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