Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
gehüllt war. Ein Gewand, das allein aus menschlicher Haut bestand. Aber da war noch jemand. Er trug einen schwarzen Bogen und einen Köcher, der gefüllt war mit Pfeilen wie dieser dort.“
„Wie sah er aus, Cale?“, fragte Crydeol und packte den Jungen energisch bei den Schultern.
„Er sah aus wie etwas, das ich nie zuvor gesehen habe. Er hatte irgendetwas Menschliches an sich und doch war er keiner. Blasse Haut, glühende Augen und langes verfilztes, schmutziges Haar. Und er war groß. Sehr groß! Größer als ihr und Renyan. In seinem Gesicht lagen Zorn und Hass, und um seinen Hals trug er ein seltsames Amulett, das ihm die Gestalt in dem Gewand überreicht hat.“
„Das ist nicht mein Bruder“, kam es zögernd über Renyans Lippen. Doch ohne seine Worte zu beachten, fuhr Cale fort. „Die dunkle Gestalt in dem Gewand nannte den anderen, den mit dem Bogen, Tenyon. Tenyon den Hünen.“
Renyan fuhr schlagartig herum. Seine Augen zitterten, sie bebten und in ihnen sammelte sich ein Staudamm von Tränen. Wie betäubt schwankte er zurück, und dann brachen die Dämme. Er hatte es die ganze Zeit geahnt, doch jetzt, da Cale den Namen seines Bruders ausgesprochen hatte, kam es über ihn wie ein unerwarteter Schlag. Er wandte sich von ihnen ab und starrte mit glasigen Augen aus dem Fenster.
Selbst als Crydeol zu ihm gehen wollte, hielt er ihn mit einer Handbewegung zurück und wischte sich die Tränen fort. Warum hatte sein Bruder das getan? Was hatte ihn so verändert und wer war diese dunkle Gestalt?
Die anderen standen schweigend vor dem Altar, da keiner wusste, was er sagen sollte. Selbst Crydeol sah wie gelähmt zu seinem Freund hinüber, und auch er fühlte sich hilflos und fand keine Worte, die Renyans Trauer lindern würden.
„Was ist dann passiert, Cale?“, fragte Renyan schließlich mit gefasster Stimme. „Was hat mein Bruder getan?“
„In dem Amulett, das ihm die andere Gestalt überreicht hat, war ein seltsamer Kristall eingefasst. Und in dem Moment, in dem euer Bruder es berührte, war er auch schon hier in Vaskania. Hier zog er sich rasch die Kapuze seines Umhangs ins Gesicht und wartete. Dann sah ich eine Frau und einen älteren Mann, auf dessen Haupt eine Krone saß.“
„Jaldor!“, unterbrach ihn Crydeol. „Und Inoel, seine Tochter!“
„Ja, so waren ihre Namen“, nickte Cale. „Der Bogenschütze stand inmitten einer riesigen Menschentraube. Es fand gerade ein großes Fest statt und euer König und seine Tochter begaben sich gerade auf einen großen Balkon. Plötzlich zog der Schütze seinen Bogen hervor und zielte auf des Königs Tochter. Dann ließ er die Sehne los und der Pfeil - “
„Was?“, rief Crydeol. „Was hast du da gesagt? Das kann nicht sein! Der Pfeil hat Jaldor getroffen, nicht Inoel!“
„Das stimmt. Aber er war für Inoel gedacht. Der Pfeil wich von seiner ursprünglichen Flugbahn ab und durchbohrte die Brust des Königs. Der Schütze wartete aber nicht ab, ob er sein Ziel auch getroffenen hatte, sondern berührte gleich nachdem er den Pfeil losgelassen hatte erneut das Amulett und
verschwand, als hätte er sich in Luft aufgelöst.“
„Bist du dir auch ganz sicher?“, erwiderte Crydeol und warf Renyan einen fragenden Blick zu.
„Ja, ganz sicher. Der Pfeil war für seine Tochter bestimmt und nicht für Jaldor selbst.“
„Aber das ist völlig ausgeschlossen!“, warf Renyan ein. „Ganz und gar unmöglich! Noirils Pfeile verfehlen niemals ihr Ziel! Niemals!“
„Dieser hat es getan, Renyan“, erwiderte Cale und zeigte auf den schwarzen Pfeil, den Leeni bereits in die gläserne Schatulle zurückgelegt hatte.
„Aber warum? Warum hat er Inoel verfehlt und weshalb war er für sie gedacht?“
„Wir sollten dem Rat diese Neuigkeiten vortragen“, sagte Crydeol und wandte sich dem Jungen zu. „Geht es dir wieder besser, Cale?“
„Ja, ja. Es geht schon wieder“, antwortete er. „Lasst uns gehen.“
Sie hatten den Raum gerade verlassen, da kam ihnen eine der Wachen keuchend entgegen gelaufen. Noch während sie durch den Gang hastete, wollte sie Crydeol etwas zurufen, doch dann schien ihr wieder eingefallen zu sein, das der Mann dem ihre Nachricht galt ein General war und so blieb sie ruckartig stehen salutierte flüchtig und schnaufte: „General Crydeol! Lord Maliv schickt mich um euch mitzuteilen, dass der Rat euch im großen Saal erwartet. Des Weiteren soll ich euch darauf hinweisen, dass es den Kindern nicht gestattet ist, der Anhörung
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