Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
folgt, Königstochter!“
Nachdem der Wagen das Stadttor passiert hatte, schlenderten Jindo und Cale noch eine Weile durch die Straßen der Stadt. Der Vanyanar betrachtete zufrieden die einzigartigen Gebäude, die mit großer Rücksicht auf Bäume und Pflanzen entlang der Straßen und Gassen erbaut wurden waren. Dennoch bemerkte Cale, dass sein Großvater mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein schien. Irgendetwas schien ihn zu belasten und traurig zu stimmen. Er kannte seinen Großvater nur zu gut.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte er. „Du siehst so besorgt aus.“
„Ich bin nur müde, Cale. Ist wahrscheinlich das viele Reisen zurzeit. In meinem Alter bin ich das nicht mehr gewohnt.“
Doch es war nicht die Müdigkeit, die ihn quälte, sondern die Worte. Die passenden Worte, die ihm nicht einfallen wollten. Der Moment, vor dem er sich insgeheim seit Jahren gefürchtet hatte, stand nun unweigerlich bevor. Es führte kein Weg mehr daran vorbei. Bald schon würde er Cale die Wahrheit erzählen müssen. Und die Sorge, wie der Junge diese wohl aufnehmen würde, lag wie ein Schatten über seinem Herzen. Aber Jindo wollte es nicht noch länger hinauszögern. Heute Abend würde es geschehen. Es musste sein.
Als sie nach einer Weile wieder am purpurnen Eber ankamen, bestellte Jindo beim alten Knaudelmann noch zwei Krüge Wasser, die sie anschließend mit auf ihr Zimmer nahmen.
„Setz dich bitte“, sagte der Vanyanar mit rauer Stimme, nachdem er die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen hatte.
Cale setzte sich auf eines der beiden Betten und sah ihn unsicher an. „Natürlich hast du etwas“, sagte er schließlich. „Ich kann es dir doch ansehen. Willst du mir nicht sagen, was es ist, Großvater?“
„Das werde ich, mein Junge, auch wenn es mir sicher nicht leicht fallen wird.“ Die Gesichtszüge des Vanyanar verhärteten sich wieder. „Es ist an der Zeit, dass du die Wahrheit über dich und deine Herkunft erfährst.“
„Dann wirst du mir jetzt erzählen, warum ich nicht wie du bin? Warum du ein Vanyanar bist, ich aber nur ein Mensch?“
„Du bist kein Mensch, Cale“, erwiderte Jindo und fügte zögernd hinzu: „Jedenfalls nicht seit deiner Geburt.“
„Wie meinst du das? Natürlich bin ich das. Ich bin ein zwölfjähriger Junge…oder etwa nicht?“
„Cale, du…du bist ein Mensch, weil ich dich zu einem gemacht habe.“
Cales Lippen bebten. Und nun sah er, dass die Augen seines Großvaters glasig und gerötet waren. „Du…du hast was? Wie? Wieso?“
„Ich habe es getan, um dein Leben zu retten. Doch nun ist die Zeit gekommen, um loszulassen. Du musst wissen, woher du tatsächlich stammst und was du bist. Nur dann wirst du zu deinesgleichen zurückkehren können.“
Tränen liefen Cales Wangen hinunter.„Aber ich will nicht von dir getrennt sein, Großvater.“
„Aber das musst du, mein Junge. Mein kleiner Junge“, sagte Jindo und wischte sanft eine von Cales Tränen fort. „So klein und doch so groß. Übermütig habe ich dich einst genannt, doch ist es Mut und Kraft, die in dir stecken…der Mut und die Kraft eines wahren Wolfes.“
Cales Augen weiteten sich. „Eines Wolfes?“
„Ja. Du warst einst einer der weißen Wölfe Asmadars, bis ich dich befreit und mit mir in die eisigen Wälder genommen habe. Viele schlechte Menschen haben damals Jagd auf die weißen Wölfe gemacht, und um dich zu schützen, habe ich dich in einen Menschen verwandelt. Allein die Kraft, die ich dafür aufwenden musste, haben mich um zwanzig Jahre altern lassen.“ Jindo lachte heiser. „Du warst erst einige Monate alt, als ich dich mit Pelrin zusammen von Bord der Eiswind geholt habe. Der Kapitän des Schiffes hatte dich zuvor den Garlan abgekauft, um dich in Antis zu einem hohen Preis wieder verkaufen zu können. Aufgrund deines Alters gelang es mir jedoch nicht, dich ebenfalls in einen Vanyanar zu verwandeln, da es unter meinesgleichen keine Kinder gibt. Wir werden nicht in diese Welt geboren wie die Menschen, Cale. In den eisigen Wäldern würde ich dich verborgen halten können, ohne dass irgendjemand zu viele Fragen stellen würde. Und wegen deines jungen Alters konntest du dich auch an nichts mehr aus deinem alten Leben erinnern. Einzig allein deine besondere Gabe ist etwas, das noch von deiner Herkunft übrig geblieben ist. Ich habe mir damals geschworen, dass ich dich eines Tages wieder zurück nach Asmadar bringen würde, doch mit den Jahren hatte ich dich so sehr in mein Herz geschlossen, dass
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