Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
besorgt und müde aus. Er hatte den Eindruck, als sei Jindo in den letzten Wochen gleich um mehrere Jahre gealtert. Er wirkte erschöpft und ausgelaugt, als hätte er wochenlang kein Auge zugetan und ununterbrochen darüber nachgedacht, wie es mit ihrer Reise weitergehen würde.
„Ich werde nicht mehr lange unter euch weilen“, sagte Jindo plötzlich, aber mit gefasster Stimme. Der alte Vanyanar mochte erschöpft aussehen, aber die Kraft seiner Stimme war ungebrochen.
„Weshalb?“, fragte Renyan, überrascht und geschockt zugleich. „Bist du krank? Es liegt doch nicht am Alter, oder?“
„Auf eine gewisse Weise schon. Ich habe zu viel Kraft in den letzten Jahren verbraucht. Kraft, die ich verwenden musste, um Cales Leben zu schützen. Er ist etwas ganz besonderes, Renyan und keineswegs der kleine Junge, für den ihr ihn immer haltet, trotz seiner besonderen Gabe. Dass er nicht mein Enkel ist, weißt du selbst, immerhin ist er ja ein Mensch, nicht wahr?“
Renyan nickte unsicher. Er wusste nicht recht, worauf der alte Vanyanar eigentlich hinauswollte.
„Aber das ist er eben nicht. Ebenso wenig wie ich es bin. Ich habe ihm nur die Gestalt und das Bewusstsein eines Menschen verliehen.“
„Du hast ihn in einen Menschen verwandelt?“
„Ja, und dafür habe ich jeden Tag, Jahr für Jahr, einen Teil meiner Lebenskraft geopfert.“
„Warum hast du es getan?“
„Weil ich mir sicher war, dass man sonst Jagd auf ihn machen würde. So wie Kapitän Dint es getan hat, denn er war es, der ihn vor vielen Jahren mit nach Brahn gebracht hat.“
„Tasken? Mitgebracht? Woher?“
„Aus Kasgaran, wo er mit den Garlan hin und wieder Handel trieb.“
„Hielten sie ihn dort als Sklaven?“
„Nein, sie selbst hatten ihn aus Asmadar geraubt.“ Jindo sah ihm tief in die Augen. „Du kennst diesen Ort, nicht wahr?“
Renyan nickte. „Natürlich, Avakas stammt von dort.“
„Richtig, aber nicht nur der Rabe ist ein Geschöpf dieser Insel, sondern auch die weißen Wölfe, wie du weißt.“
„Was willst du damit sagen? Etwa das - “
„Ja, der Junge war einst ein Wolf, Renyan. Als Candol damals mit Jesta und Leeni zu mir in die Wälder kam, hatte er auch Avakas dabei. Dass der Rabe ein höchst außergewöhnliches Tier ist, weißt du selbst. Er hat Cales wahre Gestalt sofort erkannt. Aber nicht nur das. Er war es auch, der mich darauf aufmerksam machte, dass der Junge nicht irgendeiner der weißen Wölfe war, sondern der Sohn ihres Königs.“
„Cale ist Zirons Sohn?“ Renyan war erstaunt. „Er hat nie erwähnt, dass er einen Sohn hat, und Candol auch nicht.“
„Candol weiß es nicht. Und wenn ich Avakas richtig verstanden habe, dann ist Ziron in dem Glauben, sein Sohn wäre nicht mehr am Leben. Als die Garlan ihn gefangen genommen hatten, töteten sie kurz darauf seine Mutter, die ihrem Sohn zur Hilfe eilen wollte, dann verließen sie mit ihm die Insel. Ziron kam zu spät. Er konnte seinen Sohn nicht mehr retten.“
„Weiß es der Junge bereits?“
„Ich habe es ihm in Panjan erzählt, aber es ist mir nicht leicht gefallen. Letztendlich hat er den Schock jedoch überstanden und mein Handeln nachvollziehen können und wird zurück zu seinesgleichen gehen. Der Junge hat einen äußerst wachen Geist, Renyan. Sein wahrer Name lautet übrigens Zardan. Den Namen Cale habe ich ihm gegeben, in Erinnerung an einen alten Freund, der damals zum Kreis der Fünf gehörte.“
„Dann werden wir Cale jetzt zurück nach Asmadar bringen?“
„So ist es. Avakas soll Ziron und die Wölfe aufsuchen und sie sogleich zum nördlichen Inselende schicken.“
Renyan stimmte ihm wortlos zu. Der Norden Asmadars war die einzige Möglichkeit die Insel gefahrlos zu betreten.
„Aber das ist nicht alles, worüber ich mit dir sprechen wollte“, sagte Jindo und riss Renyan sogleich wieder aus seinen Gedanken.
„Noch mehr Überraschungen?“
„Nicht wirklich. Ich werde dir erklären, was es mit den drei Splittern auf sich hat und wie du sie zurückerlangen kannst. Du solltest zuerst nach dem Amulett suchen, das dein Bruder bei sich trägt. Der Besitz dieses Splitters und die Zurückgewinnung des singenden Bogens werden für dein weiteres Vorgehen unerlässlich sein. Ohne sie wirst du den zweiten Splitter wahrscheinlich nicht erreichen können.“
„Wenn ich doch nur wüsste, wo ich mit der Suche anfangen soll“, seufzte Renyan niedergeschlagen. „Dann wäre uns schon geholfen.“
„Wie ich bereits in Kumai erwähnt
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