Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
stieß einen tiefen Seufzer aus. „Er lag regungslos am Boden, mit einem von Noirils Pfeilen in seinem Rücken, doch von - “
„Was hast du da gesagt? Einer der schwarzen Pfeile? Aber wie…?“
„Er hat es wohlmöglich selbst so gewollt, warum kann ich nicht genau sagen, aber es hatte wohl durchaus seinen Sinn, denn neben Renyans Leichnam lag eine leere Robe, Salagors Robe, denn sie war aus Menschenhaut gefertigt.“
„Und was ist mit den Splittern und Avakas geschehen, er war doch bestimmt bei euch, wo ist er?“
„Wo die Splitter jetzt sind, weiß ich nicht, aber Avakas könnten wir mit der Feder rufen, sie sollte sich eigentlich noch im Sack befinden.“
„Ist sie“, sagte Jesta abwesend. „Aber aus welchem Grund habt ihr euch denn getrennt?“
„Renyan sagte, ich müsse gehen, weil Großvater bald sterben würde…vermutlich noch in dieser Schlacht. Das hätte er ihm selbst erzählt. Ich war wütend auf ihn, da ich es für einen Vorwand hielt, um mich loszuwerden. Doch du kanntest Renyan ebenso gut wie ich, er hätte mich nie belogen, schon gar nicht mit solch einer Behauptung. Das habe ich schließlich auch erkannt und deshalb auf ihn gehört, so wie ich es meinem Vater versprochen hatte, und bin gegangen.“
„Wo steckt dein Großvater jetzt?“, fragte Jesta ungeduldig, aber Cale zuckte nur schwach mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, ich…“, erwiderte er, bemüht nicht gleich loszuweinen, „ich habe meine Kette mit dem Bruchstück verloren. Vermutlich ist ein Glied gerissen und sie ist mir während des Laufens abhandengekommen, ohne das ich es gemerkt habe.“
„Macht nichts, wir haben ja noch meinen Ring“, sagte Jesta und zog ihn vom Finger. „Sobald wir herausgefunden haben, wo er sich aufhält, machen wir uns auf den Weg zu ihm. Auch den weißen Raben sollten wir erst dann rufen, wer weiß, was er deinem Großvater zu berichten hat.“
Cale nickte zustimmend. „Also los.“
„Jindo“, hauchte Jesta leise gegen das Bruchstück in seinem Ring und der goldene Nebel brach umgehend aus dem Stein hervor.
„Da ist er!“, rief Cale erleichtert, und ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen.
Der Vanyanar stand irgendwo abseits der Schlacht alleine auf einem hohen Hügel, der um die zwanzig Meter hoch sein musste und säulenartig in die Höhe ragte, wodurch er überhaupt nicht in die sonstige, eher flache Umgebung passte. Gestützt auf seinen Stab, blickte Jindo von dort auf das Land herab. Als das Runenauge ihnen das Gesicht des Alten zeigte, erschrak Cale und hielt sich rasch eine Hand vor den Mund. Jindo sah fürchterlich aus, fürchterlich gealtert.
Sein Gesicht, dachte Jesta, glich einem alten, runzligen Apfel, den man zu lange gelagert hatte und unter seinen müden Augen hatten sich tiefe, dunkle Ringe gebildet. Der restliche Gesichtsausdruck war nichtssagend, beinahe leer, ohne jeglichen Ansatz von Trauer, Wut oder gar Fassungslosigkeit. Er stand einfach nur da, unbeweglich, wie aus Stein gemeißelt, einer Statur gleichend, an der nur das dunkelgrüne Gewand unruhig im Wind flatterte.
„Was ist mit ihm?“, fragte Jesta.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Cale besorgt, „aber sein Anblick macht mir Angst!“
„Wenn wir nur wüssten, wo er ist“, murmelte Jesta und betrachtete nachdenklich den seltsamen Hügel, auf dem der Vanyanar stand. „Hast du diesen Ort schon einmal gesehen?“
Die Augen des Jungen weiteten sich. Doch nicht vor Sorge, sondern auf eine Art, die Jesta erahnen ließ, dass ihm gerade etwas Wichtiges eingefallen war.
„Das Amulett! Tenyons Amulett, in dem einer der drei Splitter eingefasst ist! Mit ihm könnten wir zu Großvater springen, jetzt da ich gesehen habe, wo er ist.“
Jesta sah ihn zweifelnd an. „Springen?“
„Ja, Renyan hat es so genannt. Auf diese Weise haben wir auch einen der drei Türme betreten, und ihn wieder verlassen, nachdem wir den zweiten Splitter an uns gebracht hatten.“
„Aber die drei Splitter sind jetzt was weiß ich wo, wie könnte uns das Amulett also dabei helfen Jindo zu finden?“
„Weil Avakas sie hat! Ja, ganz bestimmt sogar, wo sollten sie sonst sein?“
Jesta grübelte einen Moment lang über Cales Vermutung nach, doch schließlich nickte er ihm zustimmend zu, denn es schien tatsächlich die einzige naheliegende Erklärung zu sein.
„Rufen wir ihn!“, sagte er schließlich und zog die Feder aus dem Sack. Über den Spruch, den man aufzusagen hatte, wollte man den Raben
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