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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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eine Preiskuh auf einer Viehausstellung. Sie funkelte ihn an, und er hatte die Unverschämtheit, achselzuckend zu lächeln. »Ich gucke nur, aber ich fasse niemals an«, murmelte er. »Das ist nur ein Kompliment.«
    Er mochte hoch qualifiziert sein und Wimpern haben, für die eine Frau sterben würde, aber er war nicht einmal eine milde Beleidigung wert. Sie ging hinaus.
    Ellie war zu den willkommenen Lockungen der weichen, schwebenden Dunkelheit zurückgekehrt. Sie war dem anderen Ort entronnen und sah sich wieder in dem alten Farmhaus auf Warratah. Sie hatte die Uhr zu einer Zeit zurückgedreht, in der sie noch jung war. Aber während sie zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her driftete, wurde ihr klar, dass es keine wirkliche Flucht gab, denn sie spürte noch immer die Kälte, hörte noch immer den Regen. Die Schatten kehrten zurück, und sie brachten einen Gast mit.
    Er erschien Ende April 1942 auf Warratah, mitten in einem Wolkenbruch. Die Trockenheit hatte am Abend zuvor ein Ende gefunden, und die Frauen trafen die Vorbereitungen zu dem langen Treck auf die Südweiden von Jarrah. Die Rinder waren dorthin verlegt worden, weil das Gelände tief lag und deshalb trotz der Dürre über reichlich Wasser verfügte. Jetzt bestand die Gefahr, dass der Fluss über die Ufer trat und plötzlich Hochwasser brachte. Daher musste die Herde wieder auf höher gelegene Weiden getrieben werden.
    Ellie trat durch die Fliegentür, beladen mit Satteltaschen, und sah, dass ein verbeulter Geländewagen auf dem Hof hielt. Ihre Taschen fielen mit dumpfem Schlag zu Boden, als sie erkannte, wer da gekommen war. Sie erstarrte und beobachtete, wie er seine Soutane raffte und durch den Schlamm marschierte.
    »Tag«, sagte er betrübt. »Dieses Wetter eignet sich nur für Enten.« Er schüttelte das lange schwarze Gewand und rückte den weißen Kragen zurecht.
    Ellie zitterte; fast hätten ihre Beine den Dienst versagt. Die Ankunft des Priesters war mehr als eine Überraschung – zumal sie ja nicht einmal katholisch waren –, sie war ein unheilvolles Vorzeichen. Sie hatte von seinen Besuchen bei anderen Familien gehört. Familien, die jetzt Trauer trugen.
    Er blieb stehen. Seine traurigen braunen Augen spiegelten die Bürde des Amtes, und das Grau in seinem Haar war ausgeprägter als ein Jahr zuvor, als Ellie ihn auf einer Rinderzüchterversammlung gesehen hatte, sodass er älter aussah als fünfunddreißig. »Wie Sie sicher schon vermuten, bringe ich Neuigkeiten.« Sein irischer Akzent klang müde. »Ein paar gute – und ein paar nicht so gute. Ist sonst noch jemand zu Hause?«
    Ellie umklammerte die Armlehne des Verandasessels und ließ sich in die Kissen fallen, ohne den Unheilsboten aus dem Auge zu lassen. »Tante Aurelia«, rief sie heiser. »Tante Aurelia, komm schnell!«
    »Was ist los?« Aurelia stürmte durch die Fliegentür, dicht gefolgt von Alicia. Sie blieben wie angewurzelt stehen, als sie den Priester erblickten. »Wer ist es?«, fragte Aurelia und wurde bleich.
    »Mrs. Bligh-Hamilton?«, stammelte der Priester.
    »Ja, ja. Machen Sie schon, Mann!«, fuhr Aurelia ihn an. »Sehen Sie nicht, dass Sie uns auf die Folter spannen?«
    Ellie verfolgte jede seiner Bewegungen, als der Priester einen Umschlag aus der Tasche zog. »Jack Withers hat mich gebeten, Ihnen das hier persönlich zu überreichen«, sagte er und lächelte sanft.
    Aurelia ließ sich in einen Sessel plumpsen und hielt den Umschlag mit zitternden Fingern. Wieder und wieder las sie die gekritzelte Adresse.
    Aufsteigende Panik verdrängte die überwältigende Erleichterung. Der Priester hatte von schlechten Neuigkeiten gesprochen. Er hatte den weiten Weg hierher nicht gemacht, um einen Brief von Jack abzuliefern. Ellie schloss die Augen und bemühte sich, Ruhe zu bewahren; sie drängte die schwarzen Gedanken zurück und bekämpfte ihre Angst mit dem Gedanken, dass Jack am Leben sei. Sie stählte sich für das, was sicher als Nächstes kommen würde; sie straffte die Schultern, holte tief Luft und öffnete die Augen.
    Aurelia drehte noch immer den Brief in den Händen, als könne sie nicht glauben, was sie sah. »Er ist in Sicherheit? Er lebt?«
    »Allerdings.« Der Priester lächelte. »Auf dem Rückflug von Java hatte er Motorprobleme, aber er hat sein Flugboot herunterbringen und es hinter einer der vielen Vulkaninseln verstecken können, um es zu reparieren. Er hat fast einen Monat von Insel zu Insel fliegen müssen, um den feindlichen Flugzeugen zu

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