Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
dass er nur noch in ihrem Kopf existiert.«
    Aurelia sah den beiden nach, als sie den Hof verließen und auf die Koppeln zu ritten. Sie sahen gut aus zusammen, musste sie sich insgeheim eingestehen. Die Harmonie zwischen ihnen war selbst aus der Ferne spürbar. Aber aus der Distanz war die Berechnung in Charlies Blick auch nicht zu sehen, ein Blick, in dem manchmal etwas beunruhigend Bedrohliches aufschimmerte, wenn er sich unbeobachtet glaubte. »Abstand hält die Liebe frisch«, murmelte sie.
    »Genau«, sagte Alicia. »Sie erinnert sich an Joe als stillen, sanften Jungen, der Gedichte schreibt und Bücher liest und den Frieden und die Einsamkeit des Outback ebenso sehr liebt wie sie. Ihre Erinnerung hat ihre Liebe durch ein falsches Gefühl von romantischer Loyalität bewahrt. Seine Erinnerung an sie wäre die an eine magere Sechzehnjährige, die auf Clipper durch die Gegend galoppiert.« Sie wühlte eine zerdrückte Packung Zigaretten aus der Tasche. »Ellie ist zu sehr versunken in ihre romantischen Tagträume, um zu merken, dass sie sich in Charlieverliebt. Sie überträgt ihre ganze Liebe zu Joe auf seinen Zwillingsbruder.«
    Aurelia sah den kleiner werdenden Gestalten nach. »Ich hoffe, du irrst dich.«
    Ellie ahnte nichts von den Sorgen der beiden. Sie streichelte Clippers Nase und liebkoste ihn. Armer alter Knabe, dachte sie und strich über den Hohlrücken und das knochige Hinterteil. Lange würde er es nicht mehr machen. Sie legte ihm eine Decke über und griff nach den Möhren, die sie jeden Morgen für Chinaman und Clipper mitbrachte. Sie streichelte die grauen Mäuler, deren Barthaare sie an der Handfläche kitzelten, und legte die Wange an die warmen, staubigen Hälse. Die beiden waren so alt, dass sie nicht wusste, ob sie noch da sein würden, wenn sie zurückkehrte.
    Ellie freute sich auf den Auftrieb der Jungbullen. Sie war lange auf der Farm eingesperrt gewesen, und jetzt, da Charlie endlich auf dem Wege der Besserung zu sein schien, bereitete es ihr keine Gewissensbisse, ihn hier zurückzulassen. Sie sattelte ihr Arbeitspferd und übergab Jacky Jack die Hüteponys. Die Pferde waren ausgeruht und kauten ungeduldig auf dem Gebiss; eifrig tänzelnd brannten sie darauf, sich nach langem Aufenthalt auf der Weide wieder zu bewegen. Auf dem Hof herrschte eine aufgeräumte Stimmung, denn der Auftrieb der Jungbullen war ein Höhepunkt des Jahres, auch wenn er viele Stunden anstrengender Arbeit bedeutete. Er brachte das Geld ein, mit dem die Löhne bezahlt wurden.
    Wang Lee schlurfte auf die Veranda, dicht gefolgt von Fu Man Chu. Er hielt sich am Geländer fest, als er die Stufen herunterhumpelte. Sein Kittel und die weite Hose passten ihm schlecht, denn er hatte viel Gewicht verloren. Sein Haar war jetzt farblos, und der lange Zopf war nur noch ein Abglanz dessen, was er einmal gewesen war. »Wang Lee kommen, auf Wiedersehen sagen«, pustete er. »Würde gern mitgehen zu Auftrieb, wie in alten Zeiten.«
    Ellie beugte sich aus dem Sattel und drückte ihm die Hand. Sie hatte keine Ahnung, wie alt er war, aber er war jedenfalls zu betagt, um bei einem Auftrieb Leib und Leben zu riskieren. »Gib auf dich Acht, Wang Lee«, befahl sie. »Und lass Charlie ein bisschen mitarbeiten. Er ist wieder kräftig genug, und du hast dir ein bisschen Ruhe verdient.«
    Das Gesicht, das zu ihr aufblickte, war runzlig wie eine Rosine, aber die Augen waren noch hell, und sein Blick hatte nichts von seiner Schärfe eingebüßt. »Charlie nichts taugen in Küche«, maulte er. »Ist nur im Weg.« Fu Man Chu sprang ihm Aufmerksamkeit heischend um die Füße. »Hund kann besser Teller spülen als er.«
    Sie lächelte auf die beiden hinab. »Wir sehen uns in ungefähr einem Monat wieder«, sagte sie. »Hoffentlich ist der Krieg bis dahin vorbei.«
    »Männer kommen nach Hause.« Er lächelte strahlend, nahm Fu Man Chu auf den Arm und wich dem tänzelnden Pferd aus.
    »Ja«, sagte sie fest. »Also ruh dich lieber aus, so gut du kannst, denn wir werden sie aufpäppeln müssen.« Sie lächelte, aber die gespielte Fröhlichkeit sollte vor allem ihr selbst helfen, denn wieder verdunkelte die Erinnerung an Joe die Morgensonne.
    Er machte ein finsteres Gesicht. »Gute Männer kommen nach Hause, dann Charlie gehen«, knurrte er.
    Ellie runzelte die Stirn. Mühsam zügelte sie ihr Pferd, das nicht aufhören wollte zu tänzeln. »Warum sollte Charlie gehen?«
    Wang Lee schüttelte den Kopf. Der kleine Terrier leckte sein Kinn. »Miss Ellie

Weitere Kostenlose Bücher