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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Rinderherden und die prächtigen Zuchtpferde auf den Koppeln. Er hatte ganz vergessen, wie groß dieses Anwesen war, wie reich im Vergleich zu manchen, auf denen er schon gearbeitet hatte. Seine Gedanken schweiften umher. »Das alles gehört deiner Tante?«
    Sie lachte. »Natürlich. Weißt du das nicht mehr?«
    Mit neuerlichem Interesse schaute er auf Warratah hinunter, und er beobachtete, wie die untergehende Sonne das Gelände vergoldete. »Und Jarrah?« Sein Ton war nachdenklich, sein Gesichtsausdruck bemüht gleichgültig.
    »Jarrah gehört Mickey«, sagte sie stirnrunzelnd. »Wir kümmern uns nur darum, bis er wieder nach Hause kommt.«
    Tief in Gedanken versunken, saß Charlie da, während der Wagen den Hang hinunter nach Warratah rollte.
    Drei Monate nach Charlies Ankunft auf Warratah stand Aurelia im Schatten der Scheune und schaute zu, wie er mühsam in den Sattel stieg und die Zügel ergriff. Seine Narben waren verheilt, aber die Schulter war steif; er konnte den Arm nur bis in Brusthöhe heben. Dennoch sah er ganz anders aus als der gebrochene Junge, der den Schmerzen so tapfer getrotzt hatte, damit er seinen Freund anständig beerdigen konnte. Pfeife rauchend beobachtete sie, wie Charlie das Pferd zum Trab antrieb. Ellie war wie immer bei ihm. Wachte über ihn, als könne sie dadurch, dass sie ihn am Leben und gesund erhielt, ein Abbild ihres verlorenen Joe zurückbringen.
    »Du bist darüber nicht glücklich, wie?« Alicia kam aus der Scheune.
    »Ich bin froh, dass er wieder im Sattel sitzt«, antwortete Aurelia. »Ein weiteres Paar Hände zum Arbeiten können wir gut gebrauchen.«
    Alicia warf die Sättel über die Anbindestange. »Du weißt, dass ich das nicht gemeint habe. Ellies Interesse an ihm macht dir Sorgen. Sei ehrlich, Aurelia – du hast Charlie nie richtig leiden können, nicht wahr?«
    Aurelia kaute auf dem Mundstück ihrer Pfeife. »Er hat etwas an sich, was mir Unbehagen bereitet«, gab sie zu. »Ich bewundere seine unbezweifelbare Tapferkeit und seinen Genesungswillen, aber seine Reaktion auf Joes Tod ist beunruhigend. Es ist, als würde er gar nichts dabei empfinden. Ich kann mir nicht helfen – irgendetwas ist da in seinem verkorksten Kopf im Gange, das er uns nicht offenbart.«
    Alicia sah sie scharf an. »Du glaubst doch nicht, dass das, was ihm passiert ist, ihn geistig beschädigt hat, oder?«
    Aurelia schaute zu Ellie hinüber, die eben aufs Pferd stieg. Sie lachte Charlie an, und ihre braune, tüchtige Hand berührte leicht seinen Arm, als wolle sie ihm versichern, dass sie in seiner Nähe bleiben würde. Sie sah, wie Charlie ihre Hand besitzergreifend umfasste und wie eindringlich er sie anschaute. »Da ist eine Anspannung in ihm, die mir Sorgen macht«, sagte sie nachdenklich. »Und es gefällt mir nicht, dass Ellie sich zu ihm hingezogen fühlt.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Alicia. »Sie ist viel zu viel mit ihm zusammen. Weicht ja kaum von seiner Seite, und Wang Lee sagt, sie reden noch stundenlang miteinander, wenn wir im Bett sind.«
    Aurelia klopfte die Asche aus ihrer Pfeife, trat die Glut aus und steckte die Pfeife in die Tasche. »Ich habe schon versucht, mit ihr zu reden, aber sie will nicht zuhören. Sie findet, ich bin übervorsichtig.« Sie klemmte sich das Monokel ins Auge und reckte die Schultern. »Vielleicht bin ich das auch«, sagte sie entschlossen. »Ich weiß, dass ich manchmal allzu übermächtig auftrete – aber das kommt nur, weil mir etwas an ihr liegt.«
    Alicia beobachtete die jungen Leute stirnrunzelnd. »Joe istseit fast drei Jahren tot«, sagte sie leise. »Sie hat kein Foto von ihm – nur ein paar Briefe und ein Gedicht, und das alles hat sie so oft gelesen, dass es inzwischen fast unleserlich ist. Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt noch weiß, wie er ausgesehen hat. Glaubst du wirklich, sie betrachtet Charlie als Ersatz?«
    Aurelia seufzte. »Sie glaubt, dass sie Joe immer noch liebt. Indem sie für Charlie sorgt, erhält sie den Mythos am Leben. Hoffentlich kommt sie irgendwann darüber hinweg.«
    »Du scheinst nicht davon überzeugt zu sein«, sagte Alicia mild. »Als Ellie und Joe sich verliebt haben, waren sie noch Kinder. Selbst wenn Joe durch irgendein Wunder noch am Leben sein sollte, wird sich nach dem Krieg und den drei Jahren der Trennung ein Graben zwischen ihnen aufgetan haben. Ich frage mich, ob Ellie sich so sehr an den Gedanken gewöhnt hat, ihren vermissten Helden zu lieben, dass ihr gar nicht mehr klar ist,

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