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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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sagen, wenn Joe hier wäre«, fauchte er.
    »Da hast du verdammt Recht«, schrie sie zurück. »Joe war zweimal so viel Mann, wie du je sein wirst, und er hätte nie getan, was du getan hast.«
    Da hätte er sie fast geschlagen; seine Wut war so groß, dass er seine Fäuste kaum noch in der Gewalt hatte. »Joe ist tot«, brüllte er.
    Ellie reckte die Schultern und schaute ihn mit versteinerter Miene an. »Ich weiß«, sagte sie kalt.
    Die Enttäuschung und Jahre der Qual brachen sich plötzlich Bahn. »Nein, das weißt du nicht«, schrie er. »Was dich angeht, lebt er immer noch. Er verfolgt dich, genauso wie er mich verfolgt. Ich musste ihn loswerden. Musste dich dazu bringen, mich zu sehen.« Er packte sie bei den Armen und schüttelte sie, als könne er sie damit zwingen zu verstehen. »Mich«, schrie er, »Charlie!«
    Durch den roten Nebel seiner Wut nahm Charlie schemenhaft wahr, dass der Geländewagen in schnellem Tempo auf den Hof gefahren kam. Er wusste auch, dass ihn die Eingeborenen vor den Hütten aus dunklen Augen beobachteten, sah Aureliaund die anderen auf der Veranda. Aber er dachte nicht mehr vernünftig. Er umklammerte ihre Arme immer fester und schrie ihr ins Gesicht. »Joe, Joe, Joe! Ich hab es satt, neben meinem verdammten Bruder die zweite Geige zu spielen. Immer war es Joe, der alle Aufmerksamkeit bekommen hat. Immer hat er die besten Spielsachen gekriegt, als wir klein waren. Joe, der in der Schule alle Preise bekam und von den Lehrern gelobt wurde. Mum hat ihn am meisten geliebt, und Dad hat ihm das Gewehr geschenkt. Joe kriegte das beste Pferd. Joe kriegte dich. Und wenn er nicht gefallen wäre, würde er auch noch dieses verdammte Warratah bekommen.«
    Ellie, das Gesicht bleich und angespannt, erstarrte in seinem Griff. »Das ist keine Entschuldigung für das, was du getan hast«, fuhr sie ihn an.
    Wieder schüttelte er sie. »Joes Schatten hat immer zwischen uns gestanden. Ich sehe ihn jedes Mal, wenn ich dir in die Augen schaue. Ich musste ihn loswerden. Musste ihn aus unserem Leben auslöschen, ein für alle Mal. Er ist tot, Ellie. Er liegt sechs Fuß tief in der Erde. Aber ich bin hier, warm und lebendig – ich musste dich dazu bringen, mich zu sehen.«
    Ellie sah sich an die Seitenwand des Geländewagens gedrückt, und ihr Blick war stechend vor Abscheu. »Dazu hättest du mich nicht vergewaltigen müssen«, schrie sie, und ihre Stimme wurde immer schriller, sodass sie weit über den Hof hallte. »Jawohl, Charlie, du hast mich vergewaltigt. Hast mich benutzt, mich gewaltsam genommen. Es gibt viele Arten, es zu beschreiben, aber man kann es nicht schönreden. Es ist ein schmutziges Wort für einen schmutzigen Akt, und es war das letzte Mal, dass du mich angerührt hast.«
    »Sei still!«, zischte er. »Sei still, oder ich   …«
    Er brach ab, denn plötzlich änderte sich Ellies Gesichtsausdruck. Ihre Augen wurden weit, ihr Mund klappte auf. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und ihre Lippen färbten sichbläulich. »Ellie?«, schrie er in der panischen Angst, er könnte sie diesmal wirklich verletzt haben.
    Ellie verdrehte die Augen und erschlaffte in seinen Händen.
    Charlie wollte sich umschauen, als die Faust aus dem Nichts kam. Sie fuhr ihm krachend ins Gesicht, brach ihm die Nase, er spürte die Wärme des Blutes auf seinen Lippen.
    Ellie rutschte Charlie aus den Armen und sackte zu Boden, als starke Hände ihn von ihr wegschleuderten.
    Überrascht hob er den blutenden Kopf, als ein zweiter Faustschlag sein Kinn traf und seine Zähne lockerte. Charlie taumelte, und was er vor sich sah, war so absonderlich, dass es eine Halluzination sein musste. Er blinzelte, und der dritte Hieb traf ihn am Wangenknochen und dröhnte durch seinen ganzen Körper. Angst brannte wie Säure in seiner Kehle, und die Erscheinung vor ihm war zu schrecklich, um sie anzuschauen. Beim nächsten Schlag geriet Charlie ins Wanken. Er verlor das Gleichgewicht und fiel in den Staub. »Nein«, keuchte er. »Nein. Du bist nicht wirklich da.«
    »Ich bin so wirklich, wie es nötig ist. Steh auf, und kämpfe, du Bastard.« Joe stand vor Charlie. Sein dunkles Haar glänzte rabenschwarz in der Sonne, und der Blick seiner grünen Augen war eiskalt.
    Charlie hob die Hände schützend vor sein verwüstetes Gesicht und versuchte seiner Erinnerung zu entfliehen. »Du bist tot. Du bist tot«, stöhnte er immer wieder, und in seinem Kopf begann etwas zu wirbeln.
    Raue Hände rissen ihn auf die Beine, Finger krallten sich

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