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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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in seinen Kragen und drohten ihn zu erwürgen. »Glaub’s nur, du Scheißkerl! Keine Lust, mal auf jemanden loszugehen, der genauso groß ist wie du? Willst du uns nicht zeigen, dass du ein richtiger Mann bist?«, zischte Joe. »Komm schon, Charlie! Lass sehen, was du kannst, wenn du es mal nicht mit einem Mädchen zu tun hast.« Er ließ den Kragen los und stieß Charlie von sich.
    Charlie wischte sich Blut und Rotz aus dem Gesicht. Er sah nur verschwommen, und der Schrecken beim Anblick seines tot geglaubten Bruders benebelte noch immer seinen Verstand. Aber seine Wut war so groß, dass sie ihm keine Zeit zum Nachdenken ließ. Er hob die Fäuste, kam schwankend auf die Beine und schlug einen Aufwärtshaken, der blindlings ins Leere ging; im nächsten Augenblick trafen ihn zwei kräftige Schläge in den Magen. Der Atem fuhr aus seiner Lunge, und er fiel rückwärts gegen den Wagen. Aber er musste doch etwas tun können, um diesen Bastard zu schlagen – ihn ein für alle Mal loszuwerden   … doch wie konnte man einen Geist aufhalten? Wie gegen den Dämon kämpfen, in dessen Schatten er immer gestanden hatte?
    Sein Blick fiel auf das Holz, das Ellie gehackt hatte, und er packte einen Ast. Es war ein ordentlicher Knüppel, der schwer in der Hand lag. Er krümmte sich vornüber und tat, als müsse er vor Schmerzen in seinem Bauch erst wieder Atem schöpfen, und als Joes Stiefelspitze in sein Blickfeld kam, schwang er den schweren Holzknüppel mit dem letzten Rest seiner Kraft in einem gefährlichen Bogen aufwärts. Mit einem ordentlichen Krachen traf er Joe seitlich am Kopf, und er glaubte Knochen splittern zu hören. Er schüttelte den Kopf, um seine Augen vom Schweiß zu befreien, und lehnte sich an den Geländewagen; seine Brust hob und senkte sich mühsam von der Anstrengung und dem Schmerz, den der Schlag ihm bereitet hatte. »Reicht dir das?«, schrie er, als Joe der Länge nach in den Staub flog.
    Ellie war während der Prügelei wieder zu sich gekommen; ihre Schreie bohrten sich in seinen schmerzenden Schädel. »Du hast ihn umgebracht«, kreischte sie. »Du hast Joe umgebracht.«
    »N-n-nein«, stammelte er und richtete den Blick fester auf die reglose Gestalt seines Bruders. »Er ist nur k.o.« Er fiel auf die Knie und streckte die Arme nach Joe aus, aber Leute schwärmten von den Eingeborenenhütten herüber, stürzten von Veranda und Scheune herbei und stießen ihn beiseite, versperrten ihmden Blick – und Charlie empfand so viel Einsamkeit und Angst wie nie zuvor in seinem Leben.
    Und die Angst wuchs. Sie lag wie Kupfer auf seiner Zunge und hämmerte gegen seine Rippen. Sein Schweiß wurde kalt; das Blut gerann auf seinem Gesicht. Gedanken und Gefühle wirbelten durcheinander, und etwas Verdrehtes durchzuckte in vereinzelten Blitzen die Schluchten seines Geistes. Er streckte die Hand nach seinem Bruder aus. »Joe?«, schluchzte er. »Joe, wach auf. Ich hab’s nicht gewollt.«
    Ellie stürzte sich auf ihn, und ihre Fingernägel krallten sich in sein Gesicht. »Du hast meinen Joe ermordet«, schrie sie. »Du hast deinen eigenen Bruder ermordet!« Sie hämmerte gegen seine Brust, und er streckte die Arme vor sich, um sich vor ihren wütenden Attacken zu schützen.
    »Das wollte ich nicht«, stammelte er. »Es war ein Unfall. Das ist nicht wahr. Es kann nicht wahr sein.«
    »Verschwinde!«, schrie Ellie. »Verschwinde von hier, und komm bloß nie zurück.«
    Charlie krümmte sich unter der Wut ihres Angriffs, und Alicia und Aurelia hatten Mühe, Ellie von ihm wegzuziehen. Er sah, wie die Leute von Warratah ihn voller Abscheu anstarrten, und er wusste, dass er diesen Ort, den er in seinen Träumen schon besessen hatte, verlassen musste. Mit Schaudern dachte er an ein Leben im Gefängnis, und er zitterte unter der Kälte ihrer Blicke. Noch nie hatte er sich so allein gefühlt.
    »Geh«, kreischte Ellie. »Ich hoffe, du verrottest in der Hölle für das, was du getan hast. Dein Kind wirst du niemals sehen. Niemals kennen. Dafür werde ich sorgen.«
    Charlie rappelte sich auf und versuchte die Dunkelheit zu vertreiben, die in seinem Kopf kreiste. Er merkte, dass ein Mann neben ihm stand, und zuckte zusammen, als eine Hand seine Schulter berührte.
    »Du hast hier nichts mehr verloren, Charlie«, sagte Jack, während Wang Lee neben Joe auf die Knie sank und ihn mit kundigen Händen betastete. »Weil du für Mickeys Sohn getan hast, was du getan hast, gebe ich dir ganze zehn Minuten Zeit, damit du packen und

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