Anemonen im Wind - Roman
Hammelbraten herum. »Hab mich schon gefragt, wie lange es dauert, bis dir der Kragen platzt«, sagte er schließlich.
»Du scheinst ja schrecklich zufrieden mit dir zu sein«, antwortete sie zähneknirschend. »Hoffentlich ist es was Gutes, Jack Withers, denn sonst werde ich dir höchstpersönlich mit der Bullenpeitsche den Hintern versohlen.«
Er zog eine Braue hoch, und sein fröhliches Grinsen forderte sie beinahe heraus, ihre Drohung doch wahr zu machen. Aber dann wurde seine Miene ernst. »Es ist schon gut genug«, sagte er leise. »Oder schlecht genug«, fügte er geheimnisvoll hinzu und zog ein Bündel Papiere aus einer Innentasche. »Kommt drauf an, wie man es sieht – und je nachdem, wen es trifft.«
Sie riss ihm die Papiere aus der Hand und begann zu lesen. Dann schnappte sie nach Luft. »Snowy lebt, Gott sei Dank! Für so viele von diesen Männern war die verdammte Eisenbahn dort das Ende. Wie geht’s ihm? Hast du ihn gesehen?«
Jack nickte. »Guter Dinge, wie immer. Aber der Kerl besteht nur noch aus Haut und Knochen. Wird ’ne Weile dauern, bis er wieder auf dem Damm ist. Dort an einem Ort festgehalten zu werden, das war beinahe tödlich für seinen Geist. Er sehnt sich verzweifelt danach, zu seinem Stamm zurückzukehren.« Jack lehnte sich zurück. »Snowy ist ein erstaunlicher Bursche, Aurelia. Er macht bereits Pläne: Er will über seine Erlebnisse schreiben, und ein Verlag in Sydney hat ihm einen stattlichen Vorschuss angeboten. Schätze, er ist für den Rest seines Lebens versorgt.«
Aurelia seufzte zufrieden. »Schön zu wissen, dass bei diesem Krieg auch was Gutes herausgekommen ist. Bin froh, dass die Missionsschule ihm die Fähigkeit verschafft hat, etwas für sich zu tun.«
»Lies den Rest der Unterlagen, Aurelia«, sagte Jack grimmig. »Da kommt noch mehr.«
Aurelia zog die Stirn kraus und wandte sich den eng beschriebenen Blättern zu. Das Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie einen beigelegten Brief überflog. »O mein Gott«, schrie sie auf. »Das kann nicht wahr sein!«
»Ich versichere dir, es ist wahr.« Er nahm ihre Hand. »Schätze, wir müssen uns ernsthaft unterhalten. Wie ich es sehe, steht hier eine Entscheidung bevor, und wir müssen uns darüber klar sein, was wir tun, wenn es so weit ist. Wir haben höchstens noch zwei Tage, bis die Sache platzt.«
Aurelia schaute aus dem Fenster, entdeckte etwas am Horizont und wusste gleich, was es war. »Du bist zu optimistisch«, sagte sie verzweifelt. »Wie es aussieht, ist unsere Zeit soeben abgelaufen.«
Ellie löste sich von Aurelia und putzte sich die Nase. Sie schämte sich, weil sie die Fassung verloren hatte, aber ihre Nerven waren strapaziert. Ihr war bereits vor einiger Zeit klar geworden, dass sie unfair gegenüber Claire gewesen war. Ihre Tochter hatte verdient, alles zu erfahren, so schmerzhaft es auch sein mochte, denn erst dann würde sie ihr Leben wieder in die Hand nehmen können. Und das galt für sie alle.
Sie stemmte sich aus dem Sessel und trat zu Claire. Sie griff nach deren kalter Hand, setzte sich auf ihre Sessellehne und strich ihr übers Haar. »Weißt du noch, wie wir über die starken Frauen von Warratah gescherzt haben?«, fragte sie sehr sanft.
Claire nickte, und ihre schönen blauen Augen schwammen in Tränen, als sie zu ihrer Mutter aufschaute. Ihr brach das Herz, und Ellie ging es genauso.
»Dann ist es für uns beide Zeit, dass wir zeigen, aus welchem Holz wir sind«, sagte Ellie. »Denn die nächsten paar Minuten werden die schwersten sein, die wir je werden überstehen müssen.«
»Nein«, wisperte Claire. »Bitte sprich nicht aus, was du da sagen willst.«
Ellie holte schaudernd Luft und schloss die Augen. »Ich muss«, flüsterte sie. »Dann ist es erledigt.«
»Hört sich gut an, finde ich.« Ellie wuchtete die Holzscheite hoch. »Ich bekomme einen Trauschein, das Baby bekommt einen Namen, und du kriegst, was du wolltest. Ich an deiner Stelle würde den Scheck nehmen.«
Das hatte er nicht erwartet, und nach der Demütigung, die Aurelia ihm bereitet hatte, wurde er jetzt wütend. »Warum willst du nicht glauben, dass ich dich liebe?«, fragte er hitzig. »Warum willst du nicht verstehen, dass es mir nicht nur um Warratah oder das Geld geht?« Er hielt ihre Hände fest. »Lass das jetzt, und hör mir zu!«, befahl er.
Sie riss sich los. »Fass mich nicht an«, zischte sie. »Ich will nicht, dass du mich je wieder anfasst.«
Seine Wut loderte auf. »Ich wette, das würdest du nicht
Weitere Kostenlose Bücher