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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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lange Trockenheit zu Ende gegangen war. Das war das Problem dabei, wenn man die Vergangenheit aufwühlte: War sie einmal heraufbeschworen, weigerte sie sich, im Schatten zu bleiben. Aber nicht alle Erinnerungen waren schlecht. Lächelnd genoss Ellie die Wärme des Herdes.
    Das Ende der Dürre an ihrem sechzehnten Geburtstag hatte neues Leben nach Warratah gebracht, und während sie den ersten Auftrieb seit Beginn der Regenfälle vorbereiteten, hatte sie sich gewaltsam an ihren ersten Viehtreck mit Dad und Snowy und Wang Lee erinnert gefühlt. Joe und Seamus hatten ihre ungewöhnliche Schweigsamkeit bemerkt und versucht, sie aufzumuntern, indem sie sie aufzogen. Aber als die Männer unddie Pferde sich im Hof versammelten, vermisste sie ihren Vater unwillkürlich, und sie fragte sich, was wohl aus Wang Lee und Snowy geworden war.
    Das Haus ächzte und knarrte, als der Wind zunahm und der Regen gegen die Fenster und auf die Veranda klatschte. Eingehüllt in die Wärme des Herdes, konnte Ellie beinahe wieder Joes Stimme hören. »Schätze, du wirst ihnen irgendwann über den Weg laufen«, hatte er gesagt. »Das Outback ist eine kleine Welt, trotz der Entfernungen zwischen uns allen.«
    Lächelnd dachte Ellie daran, wie Clipper ihm ins Ohr geschnaubt hatte und wie Joe die Mähne des alten Ponys gezaust und sich ihm zugewandt hatte, statt ihr in die Augen zu schauen. Der arme Joe. Mit Tieren zu kommunizieren war ihm immer leichter gefallen als mit Mädchen. Dennoch war ihr nicht entgangen, wie er sie angesehen hatte, wenn er glaubte, sie merke es nicht. Ihr war nicht entgangen, dass er wortkarg und verlegen geworden war und dass er mit rotem Gesicht davonstapfte und sich in irgendwelche körperlichen Tätigkeiten stürzte, um nicht mit ihr allein zu sein.
    Ellie lehnte sich zurück und zog die Strickjacke über der Brust zusammen. Seamus dagegen war nie schüchtern gewesen und hatte aus seiner wachsenden Bewunderung für sie auch nie einen Hehl gemacht. Sie wusste, dass seine Blicke sie verfolgten, wenn sie in ihren engen Moleskin-Hosen über den Hof ging. Und sie wusste, dass er sich herumtrieb und darauf wartete, dass sie mit ihrer Arbeit fertig war, damit sie zusammen Abendbrot essen könnten.
    Die Rivalität zwischen den beiden Jungen blieb stets unausgesprochen, aber Joe war sich im Klaren darüber gewesen, dass Seamus im Vorteil war. Er war der Sohn eines reichen Viehzüchters und der Erbe von Jarrah. Er war Gast auf Warratah, kein Knecht.
    Leise lachend kuschelte Ellie sich in ihre Strickjacke. Sie wardamals sechzehn gewesen – nicht mehr die schwatzhafte kleine Nervensäge, die den Jungen auf Schritt und Tritt folgte und ihnen in die Quere kam, sondern eine Kindfrau, die allmählich begriff, welche Macht sie besaß, und sie beim Flirten schamlos einsetzte. Wie hatte sie die Jungen um den Finger gewickelt!
    Das Schnarchen, das aus dem Gästezimmer kam, wurde zusehends lauter. Es war nicht verwunderlich, dass Tante Aurelia von ihrem Benehmen damals nicht beeindruckt gewesen war. Sie hatte beobachtet, wie Ellie auf dem Sattelknauf lehnte, während sie auf Clipper saß und den Jungen bei den Vorbereitungen für den langen Treck zu den Schlachthöfen zuschaute. Beide Jungen hatten sich umgedreht und gewinkt, und ihr war nicht entgangen, wie rot Joe unter seiner Sonnenbräune geworden war, als sie lachend zurückgewinkt hatte.
    »Du kannst diesen albernen Ausdruck wieder ablegen«, hatte Aurelia schroff gesagt, als sie ihr Pferd neben Ellie gezügelt hatte. »Mir ist klar, dass die Hormone zurzeit Purzelbäume schlagen müssen, aber das ist keine Entschuldigung. Die Männer haben ihren Platz auf dieser Erde, aber es bringt nichts ein, irgendwelchen Tagträumen über sie nachzuhängen. Wir haben zu arbeiten.«
    Ellie schlug die Ofentür zu und schaltete das Licht aus, ehe sie durch die Diele in ihr Zimmer ging. Es war ein prachtvoller Morgen gewesen an jenem ersten Tag des langen Trecks, aber es sollte sich vieles ändern. Keiner von ihnen ahnte, dass dies das letzte Mal sein würde, dass die »Drei Musketiere« zusammen ritten.
    Leanne trat aus dem Haus auf die Veranda. Es wurde gerade erst hell, aber der Tag begann verheißungsvoll. Sie atmete den Duft von Blumen und goldenen Akazienblüten ein, den Geruch von feuchter Erde und nassem Gras. Sie überquerte den Hof und ging zu dem Zaun, der die Koppel umgab.
    Ihre Sinne schärften sich, und sie spürte, dass sie ebenso erwachte wie das Outback. Die staubig trockene,

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