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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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hatte das unangenehme Gefühl, dass er wusste, wer ihn verraten hatte.

FÜNF

    E llie nahm Pfeife und Streichhölzer vom Nachttisch und schaltete die Deckenlampe aus. »Das Rauchen im Bett ist eine gefährliche Angewohnheit«, sagte sie sanft, als ihre Tante protestierte. »Du setzt eines Tages noch das Haus in Brand.«
    Aurelia zog eine Grimasse und setzte sich kerzengerade in die Kissen. »Ist ja weit gekommen, wenn eine Frau in meinem Alter und in meiner Position im eigenen Haus herumkommandiert wird.« Sie verschränkte die Arme vor dem dicken Baumwollnachthemd und spähte wütend durch ihr Monokel.
    Ellie lächelte. »Dies ist mein Haus«, sagte sie. »Deins ist fast eine Stunde weit von hier entfernt.« Sie steckte die Gegenstände des Anstoßes in die Tasche. »Beim Frühstück gebe ich dir alles zurück. Jetzt musst du ein bisschen schlafen. Wir sehen uns morgen Früh.«
    Aurelia rutschte in die Kissen. Das weiße Haar umrahmte ihr Gesicht wie ein Heiligenschein, und im weichen Lichtschein der Nachttischlampe sah sie sanfter, jünger aus. »Ich finde, es ist ganz gut gegangen – meinst du nicht auch?« Sie wechselte das Thema, wie sie es immer zu tun pflegte, wenn sie in einer Auseinandersetzung den Kürzeren gezogen hatte.
    Ellie nickte nachdenklich. »Ich glaube es auch«, sagte sie schließlich. »Doch dies war der einfache Part. Die Sache wird bald viel komplizierter, und darauf freue ich mich nicht gerade.«
    »Ich weiß, was du meinst«, brummte Aurelia. Sie hatte Mühe, die Augen offen zu halten. »In die Vergangenheit zurückzukehren ist nie einfach. Aber ich stelle fest, dass ich es in letzter Zeit immer öfter tue.«
    Das Monokel fiel ihr auf die Brust, und Ellie lächelte, als sie den ersten sanften Schnarcher vernahm. Aurelia würde heute Nacht gut schlafen. Ellie schloss die Tür und tappte durch die Diele, um nachzusehen, ob Claire noch etwas brauchte. Es war schön, wieder Leben im Haus zu haben.
    Claire lag im Bett und las ein Buch mit einem grellen Umschlag. Ihr Haar schimmerte wie Spinnweben auf dem Kopfkissen, und der cremefarbene Satin ihres Nachthemds bildete einen leuchtenden Kontrast zu ihrer gebräunten Haut. In diesem Augenblick erkannte Ellie erschrocken, wie sehr Claire sie an Alicia erinnerte. Aber Alicias Charakter hatte Claire nicht geerbt, Gott sei Dank. »Was liest du denn da?«, fragte sie und setzte sich ans Fußende.
    Gähnend legte Claire das Buch zur Seite. »›Das Tal der Puppen‹«, sagte sie. »Hab’s schon seit einer Ewigkeit lesen wollen, aber nie Zeit gehabt.« Lächelnd sah sie Ellie an. »Ist ein bisschen pikant – ganz und gar nicht das, was eine gewissenhaft erzogene junge Dame wie ich lesen sollte.«
    »Wenn das so ist, solltest du   ’s mir geben, wenn du damit fertig bist«, sagte Ellie mit einigem Eifer. Sie beugte sich vor und küsste ihre Tochter auf die Wange. Die weiche, warme Haut duftete nach Seife und Zahnpasta. »Es ist schön, dich wieder zu Hause zu haben, Darling«, sagte sie zum zweiten Mal an diesem Tag. »Ich wünschte nur, wir hätten die Atmosphäre schon vor fünf Jahren bereinigt. Du hast mir gefehlt, und ich finde es schade, dass wir deine Heimkehr verderben müssen, indem wir alte Geschichten aufleben lassen.«
    Claires Augen waren sehr blau, als sie ihre Mutter anschaute. »Bis jetzt hast du nichts gesagt, was sie mir verdorben hätte,Mum. Aber ich habe das Gefühl, da stehen noch ernstere Dinge bevor.«
    Ellie schaute weg. Sie hatte Angst, Claire könnte ihre Gedanken lesen.
    »Keine Sorge, Mum!« Claire berührte ihren Arm. »Was immer es ist, wir werden schon irgendwie durchkommen. Wir sind eine zähe Bande, wir Frauen von Warratah.«
    Ellie lächelte. Sie merkte, dass sie neuen Mut fasste. Claire hatte Recht. Sie waren zäh. Sie würden die Sache bis zum Ende durchstehen – aber ihr graute dennoch vor der Straße, auf der sie dieses Ziel erreichen würden. Sie gab Claire noch einen Kuss und ging hinaus.
    Das leere Doppelbett erschien ihr nicht sehr verlockend. Deshalb brühte sie sich in der Küche noch einen Tee auf. Dann schob sie einen Stuhl vor den neuen Herd, öffnete die Klappe und setzte sich davor, beide Hände um die Teetasse gewölbt. Es wurde spürbar kälter, und ihr war, als höre sie die ersten Regentropfen auf dem Wellblechdach. Die Regenzeit setzte dieses Jahr früh ein.
    So saß Ellie im Feuerschein, und ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem sechzehnten Geburtstag und dem Regen, mit dem an jenem Tag die

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