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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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dem Schluss gekommen, dass ihre Tante Recht hatte. Joe würde in seinen Krieg ziehen, und sie würde ihn ziehen lassen müssen. Das war eine Tatsache des Lebens, so unbestreitbar wie der Sonnenaufgang. Und weil ihre Liebe zu ihm allumfassend sein musste – großzügig genug, um ihm zuzugestehen, seine Entscheidungen selbst zu treffen –, durfte sie weder selbstsüchtig noch einengend sein und bei ihm auch keinen Unmut gegen sie wecken. Sie würde warten, bis er bereit wäre, ihr zu sagen, dass er fortging. Und die Kraft finden, zu lächeln und ihm alles Gute zu wünschen, ganz gleich, wie schmerzhaft der Abschied sein mochte.
    »Flak«, krächzte Kelly und marschierte auf seiner Stange entlang.
    Ellie musste lachen, obwohl sie traurig war. »Ich schwöre, Kelly schafft es sogar, Hitlers großspurigen Gang nachzuahmen. Ihm fehlt nur noch dieses Bärtchen.«
    Aurelia musterte ihn mit scheelem Blick. »Ich wusste, dass es ein Fehler war, dass Jack die Wochenschau mitgebracht hat. Wir hätten den Film in der Scheune vorführen sollen, nicht hier auf der Veranda, wo der alte Klugscheißer Flausen in den Kopf kriegt.«
    »Wir ergeben uns niemals«, schrie Kelly mit seiner schönsten Churchill-Stimme.
    Aurelia zog die Brauen hoch. »Es wird Zeit, dass wir das Tuch drüber legen«, sagte sie entschlossen, und stand auf und trat zum Käfig. »Er wird mir ein bisschen zu selbstgefällig.«
    Kelly maulte und hämmerte ein Weilchen mit dem Schnabel auf seinen Wassernapf ein, bis er begriff, dass man ihm nicht verzeihen würde. Dann schlief er ein.
    »Endlich Frieden!«, seufzte Aurelia. »Ich wünschte, ich könnte über die Weltlage das Gleiche sagen.«
    Ellie zog die Stiefel aus und wackelte mit den Zehen. Sie löste das Band in ihren langen Haaren und schüttelte sie. Wenn Joe nur den Mut hätte, mit mir zu sprechen, dachte sie. Ich weiß, dass er es möchte; ich lese es in seinen Augen. Zum Teufel mit diesem verdammten Krieg! Es war so unfair.
    »Ellie. Anscheinend hast du Besuch.«
    Aurelias leise Stimme riss Ellie aus ihren düsteren Gedanken. Sie blickte auf, als sie Hufgetrappel auf dem harten Boden des Hofes hörte, und schnappte nach Luft. Joe saß auf seinem Pferd und führte Clipper, gestriegelt und geputzt, am Zügel.
    Ellie merkte kaum, dass sie aufstand und an die Verandatreppe trat. Aber sie wusste, dass sie strahlte, als sie Joe in die Augen schaute und endlich die Gefühle gestand, die sie teilten. Worte waren überflüssig geworden – einander zu verstehen war so leicht und natürlich wie das Atmen.
    Joe blieb mit dem Pony vor der Verandatreppe stehen. Er sah Ellie an. Nach langem Schweigen hielt er ihr die Zügel hin. »Machen wir einen Ausritt?«
    Ellie nahm die Zügel und schwang sich auf Clippers Rücken. Joe lächelte auf sie herab, und in stummer Eintracht ritten sie langsam vom Hof in den Sonnenuntergang.

SIEBEN

    A urelia war enttäuscht, weil sie zurückbleiben musste, aber sie war klug genug, um ihre Grenzen zu kennen. Die Tage des Reitens mochten für sie vorbei sein, aber ihre Weigerung, sich in einer Kutsche umherkarren zu lassen wie eine Königinwitwe, bedeutete nicht, dass sie dem Leben entsagt hatte. Sie war vielleicht alt und klapprig, aber das war immer noch weit besser als die Alternative – und Sterben stand noch nicht auf ihrer Tagesordnung.
    Sie ging über den Hof, steckte den Kopf in die Ställe, die Futterkammer und das Kochhaus und sah, dass alle nach Jarrah hinübergefahren waren, um bei der Ankunft der Herde dabei zu sein. Sie fühlte sich niedergeschlagen und ziemlich einsam, als sie zur Veranda zurückkehrte und sich in einem tiefen Sessel niederließ. Es würde teuflisch schwer werden, da wieder herauszukommen, aber Ellie und Claire würden ja bald zurück sein.
    Aurelia atmete den Duft der wärmer werdenden Erde und der Rosen, die Ellie vor vielen Jahren gepflanzt hatte und die sich inzwischen am Verandageländer emporrankten und das Dach mit rubinroten Blüten zierten. Es war ganz friedlich; nur das Summen der Fliegen und das Gemurmel der Frauen drüben in den Hütten der Aborigines drang durch die Stille. Doch diese Stille brachte Aurelia zu Bewusstsein, wie sehr sie Kelly und sein heiseres Geschrei vermisste. Lächelnd schaute sie zu den Koppeln und Nebengebäuden, ihr Blick wanderte den Weg zwischen den beiden Farmhäusern entlang. Kelly war vor drei Jahren von der Stange gefallen. Er war wegen irgendetwas in übermäßige Aufregung geraten und inmitten eines Sturzbachs

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