Anemonen im Wind - Roman
freimütig und unverblümt war wie er.
Sie lachte leise, als sie daran dachte, wie er sie bei ihren Geplänkeln anzuschauen pflegte. Sie hatte den Verdacht, dass sie in seinen Augen ein knuddeliges Paket war – wenn er nur wagen würde, sich die nötige Freiheit herauszunehmen. Der Gedanke missfiel ihr keineswegs. Das Geräusch seines Flugzeugs im Anflug auf die Landebahn riss sie aus ihren Gedanken, und sie lief die Verandatreppe hinunter zum Geländewagen. Irgendetwas musste passiert sein, wenn er so früh kam. Ihr Pulsschlag begann zu rasen. Angesichts von Joes bevorstehender Abreise waren schlechte Neuigkeiten das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
Die Räder holperten über den harten Lehmboden, das Leitwerk senkte sich herab und setzte in einer Staubwolke auf. Er stellte den Motor ab, stieg aus und betrat den Glutofen von Warratah.
»Ich hatte dich erst morgen erwartet«, sagte sie und stieg aus dem Wagen. »Ist doch nichts passiert, oder?«
»Dachte mir, ich bringe die Post früher«, sagte er mit bemühter Nonchalance. »Hinten drin sind auch die Sachen, die du haben wolltest.«
Aurelia lächelte zu ihm auf. Er konnte ihr nichts vormachen. »Schön, dich zu sehen«, sagte sie.
»Ich hole die Sachen«, murmelte er, senkte den roten Kopf und zog die Hutkrempe tiefer.
Aurelia blickte ihm nach, als er zum Flugzeug zurückging. Ihm gegenüber fühlte sie sich wieder wie ein junges Mädchen – voller Hormone und Hemmungen. Bei einer Frau in ihrem Alter und mit ihrer Lebenserfahrung war das einfach lächerlich. Sie arbeiteten zusammen in geselligem Schweigen, aber seine verstohlenen Seitenblicke und sein nachdenklicher Gesichtsausdruck machten sie misstrauisch. Hinter dieser unerwarteten Lieferung verbarg sich bestimmt noch eine andere Absicht. Aber sie wusste, dass er ihr irgendwann den wahren Grund für seinen Besuch verraten würde. Das tat er immer.
Als die Waren, die er mitgebracht hatte, auf der Ladefläche des Geländewagens verstaut waren, stieg er zu ihr in die Kabine, und donnernd fuhren sie zurück zum Farmhaus. Aurelia wusste, dass ihre Fahrkünste ihm eine Heidenangst einjagten; er klammerte sich an seinen Sitz, und sie fragte sich, wie er es wohl finden würde, wenn sie ihn bäte, ihr das Fliegen beizubringen. Sie lächelte – nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, betete er offenbar zum Himmel, dass sie das niemals tun möge. Sie bremste hart und schaltete den Motor ab. »Du kannst die Augen wieder aufmachen«, sagte sie fröhlich.
Jack war klug genug, seine Ansichten über Frauen am Steuer für sich zu behalten. Er half ihr, die Vorräte und den Postsack ins Haus zu schleppen. Sally, das schwarze Hausmädchen, begann in den Sachen herumzuwühlen. »Lass das alles liegen!«, befahl Aurelia. »Was wir jetzt brauchen, ist eine Tasse Tee. Und wenn ich feststelle, dass du dich am Zucker und amSirup bedient hast, um deinem nichtsnutzigen, faulen Jack ein Geschenk zu machen, dann kriegt dein Hintern die Peitsche zu spüren.«
Sally machte runde Augen. Dann kicherte sie, denn sie wusste, dass Aurelia diese Drohung niemals wahr machen würde. Aber die beiden Frauen wussten, woran sie waren; Sally wusste, dass sie ihre Rationen bekommen würde wie alle anderen auch. »Bringe Tee«, erklärte sie kichernd und senkte die geschwungenen Wimpern. »Tag, Boss«, sagte sie schüchtern zu Jack.
Jack nickte zum Gruß; er erkundigte sich nach Sallys zahlreichen Kindern und folgte Aurelia dann hinaus auf die Veranda. »Wo ist Ellie?«, fragte er, als er merkte, dass sie zur Abwechslung einmal allein waren.
»Macht Zukunftspläne, würde ich sagen«, antwortete Aurelia leise.
Jack legte den Kopf schräg. »Klingt verhängnisvoll«, sagte er. Er zog seinen Tabaksbeutel aus der Hemdtasche und drehte sich eine Zigarette. »Wie ich sehe, hast du Kelly schon schlafen geschickt. Kein Wunder, dass es so still ist.«
Aurelia polierte ihr Monokel. Er versuchte Zeit zu schinden, aber sie würde es ihm nicht länger durchgehen lassen. Mit festem Blick sah sie ihn an. »Warum bist du wirklich hier, Jack?«, fragte sie geradeheraus.
Sie wartete ungeduldig, während er die Zigarette umständlich anzündete, ehe er sich zurücklehnte und in die langsam dunkler werdende Landschaft hinausblickte. »Ich hab dran gedacht, zur Armee zu gehen«, sagte er schließlich.
Aurelia starrte ihn an. Sie spürte, wie ihre Wangen sich abwechselnd röteten und erbleichten, während ihre Gedanken sich vor Schreck überschlugen. Dann
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