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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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ein Schrei von Ellie hielt sie auf. »Lass den Hund das machen. Halt Abstand, bis wir den Bullen zum Pferch zurücktreiben können.«
    Blut quoll dem Bullen aus Nase und Ohr und spritzte auf den Hund und die Frauen. Er brüllte in hilfloser Wut. Der Blue Heeler kümmerte sich nicht darum; seine Kiefer lockerten den Griff nicht, denn er war entschlossen, sich nicht noch einmal abschütteln zu lassen.
    So plötzlich, wie es begonnen hatte, war es vorbei. Der Bulle verstummte. Die Zunge hing ihm aus dem Maul, und er rang keuchend nach Atem. Die seltsamen Ereignisse schienen ihn ratlos zu machen, aber sein Drang nach Freiheit war ungebrochen; er drehte und wendete sich und versuchte, dem Blue Heeler zu entkommen. Aber der Hund wich nicht; er blieb kampfbereit, den Kopf gesenkt, ebenso störrisch wie der Bulle.
    Ellie beruhigte ihr Pferd. Der Bulle wandte sich ab und trabte die Gasse entlang der Herde zu, während der Hund ihm auf den Fersen blieb. Ellie ritt zu Alicia, und sie bildeten zusammen die Nachhut. Ihre Pferde waren nach dem wilden Galopp schweißbedeckt.
    »Bringt sie rasch in die Pferche«, rief Aurelia. Sie knallte mit ihrer langen Peitsche und ließ den Bullen nicht zur Ruhe kommen.
    Ellie und die Boys trieben die letzten Tiere in die Pferche, bevor der Bulle Gelegenheit zu weiteren Fluchtversuchen fand. Der tapfere Hund blieb zurück, scheuchte die Nachzügler aufund beobachtete aufmerksam, wie das Gatter endlich geschlossen wurde.
    Aurelia rutschte aus dem Sattel und klatschte sich mit dem Hut auf den Oberschenkel. »Gut gemacht, Alicia«, dröhnte sie. »Wusste doch, dass du für irgendetwas zu gebrauchen bist.«
    Alicia fiel vor Erschöpfung fast vom Pferd, aber unter dem staubig verschmierten Make-up glänzte ihr Gesicht stolz. »Das macht mehr Spaß als die Fuchsjagd«, erklärte sie und riss sich den Hut vom Kopf, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. »Aber ich bin erschöpft.«
    »Dann solltest du jetzt etwas essen.« Ellie lächelte. »Und in der Nacht ordentlich schlafen. Das Gleiche steht uns morgen wieder bevor – und übermorgen, und überübermorgen vermutlich auch. Das hier ist nur ungefähr ein Fünftel der Herde. Und das ganze Vieh muss nach Süden getrieben werden.«
    Alicia ließ sich auf einen Holzklotz sinken. »Sind wir denn heute Abend nicht wieder zu Hause?«
    »Wir werden mindestens fünf Tage hier draußen sein«, sagte Ellie. »Mach lieber das Beste draus.«
    »Das Beste?«, fauchte Alicia. »Ich bin dreckig und brauche ein Bad. Meine Gesichtsreinigungsmilch und Cremes sind meilenweit weg. Ich habe mir einen Fingernagel abgebrochen, und ich habe keine Garderobe zum Wechseln«, schimpfte sie. »Ihr hättet mich vorwarnen müssen.«
    Ellie war müde, und ihre Mutter fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. »Da ist Wasser im Trog. Du kannst dich waschen, und ich habe Zahnbürsten und Flanellpyjamas mitgebracht. Was willst du noch?«
    Alicia funkelte sie an; sie war sichtlich wütend. »Darin soll ich mich waschen?« Ihre Stimme war fast ein Kreischen, als sie auf das eklige grüne Bohrloch-Wasser in dem rostigen Trog deutete. »Und hier draußen schlafen, wo ich von Schlangen und Eidechsen und wilden Hunden angefallen werden kann?«
    »Dir wird nichts passieren, solange du beim Feuer bleibst.« Ellie verlor allmählich die Geduld.
    Alicia schaute mit wildem Blick in die Runde, aber anscheinend interessierte sich niemand für sie. Und als habe sie plötzlich eingesehen, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als im Busch zu bleiben, ließ sie sich gegen einen Holzklotz fallen und trank in tiefen Zügen aus dem Wasserschlauch.
    Ellie musste unwillkürlich lächeln, als sie die fleckigen Moleskins, das durchgeschwitzte Hemd und das arg zerknautschte Halstuch betrachtete. Mum sah wirklich erledigt aus, aber Ellie hatte den Verdacht, dass sie sich nach einem Tag harter Arbeit besser fühlte, als wenn sie in einem feinen Hotel herumgelungert hätte.
    »Darf ich fragen, was du so komisch findest?«, fragte Alicia mild. Ihr Zorn hatte sich offensichtlich abgekühlt. »Hast du dich in letzter Zeit mal angesehen – oder sehe nur ich so aus, als wäre ich rückwärts durch eine Hecke geschleift worden?«
    Ellie lachte, ohne an dieser Beleidigung Anstoß zu nehmen. »Schätze, wenn du so weitermachst«, brachte sie hervor, »dann machen wir noch einen richtigen Treiber aus dir.«

ZEHN

    D ie Dürre lockerte ihren Würgegriff nicht, und die Frauen von Warratah kämpften ums Überleben.

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