Anemonen im Wind - Roman
dabei, Proviant und Wassersäcke einzupacken. Die beiden Frauen drehten sich um und starrten die Erscheinung an, die da vor ihnen stand. Ellie musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzulachen. Mum sah lächerlich aus.
Aurelias Moleskins, kräftig über den Hüften zusammengerafft durch einen breiten, funkelnden Gürtel, den Alicia mitgebracht haben musste, hingen sackartig um den hübschen Hintern. Das Hemd stand am Hals offen, der Kragen war hochgeschlagen, die Ärmel säuberlich aufgekrempelt, und an den schlanken Armen klingelten Armreifen. Ein buntes Chiffontuch schmückte den Hals, und eine Tweedjacke war lässig über die schmalen Schultern geworfen. Das Make-up war tadellos, das Parfüm exotisch.
»Fürs Erste kannst du den ganzen Schmuck wieder abnehmen«, dröhnte Aurelia. »Du erschreckst die Rinder sonst.«
»Unsinn«, erwiderte Alicia; sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. »Man braucht nicht auszusehen wie ein Lumpensack, nur weil man arbeitet. Ich achte gern auf mein Äußeres, auch wenn ihr es nicht tut.« Sie bedachte das Hausmädchen mit einem vernichtenden Blick, der das Kichern augenblicklich verstummen ließ. »Ich will Speck, Eier und Toast«, verkündete sie. »Und brate die Eier nicht zu lange, wie du es beim letzten Mal getan hast, als ich hier war.«
»Zu spät fürs Frühstück«, schnarrte Aurelia. »Sally, du gehst weiter an deine Arbeit.« Sie zog die protestierende Alicia vomStuhl hoch und schleifte sie fast auf die Veranda. »Nimm diese Armreifen ab, und zieh die Jacke richtig an. Wir haben viel Arbeit, und ich kann mir nicht leisten, dass du dich mit einem Sonnenbrand ins Bett legst.«
Allen gegenteiligen Absichten zum Trotz fühlte Ellie Mitleid mit ihrer Mutter, als diese die Anstoß erregenden Juwelen abnahm und sich die zu große Jacke anzog. »Komm«, sagte sie freundlich, »wir treiben einen Hut und ein Pferd für dich auf.«
»Bomben!«, krähte Kelly auf seiner Stange. Er beäugte Alicia und spreizte den gelben Kamm angesichts des Feindes. »Sieg Heil!« Er schlug mit den Flügeln.
»Was um alles in der Welt …?« Alicia blieb stocksteif auf der Veranda stehen. »Ich finde, das ist abscheulich«, zischte sie. »Wie könnt ihr es wagen, ihm zu erlauben …«
»Kelly hat eine eigene Art, sich auszudrücken«, sagte Aurelia gelassen und warf Ellie einen Blick zu. »An deiner Stelle würde ich mich nicht daran stören.« Sie strich dem Vogel die gesträubten Federn glatt, ließ ihn an ihrem Kinn knabbern und prüfte, ob er für die nächsten paar Tage ausreichend Futter und Wasser hatte. Sally war nicht zuverlässig genug.
Alicia und Kelly starrten einander an, aber der Vogel schaute zuerst weg und konzentrierte sich darauf, sich zu putzen. »Zumindest eine Auseinandersetzung, die ich heute Morgen gewonnen habe«, sagte Alicia erbost. Sie riss Ellie den Hut aus der Hand und funkelte sie an. »Und du kannst das blöde Grinsen einstellen«, fuhr sie sie an. »Das ist nicht komisch.«
Ellie zog den Kopf ein. Mums Besuch brachte wirklich Leben auf die Farm, aber sie wusste auch, dass Alicia ihnen bei längerer Anwesenheit auf die Nerven gehen würde, und fragte sich, wie lange es bis zu ihrem ersten richtigen Streit dauern würde.
Es war noch kalt, als sie über den Hof gingen; Reif glitzerte auf den Bäumen, und ein ätherischer Nebel kräuselte sich zwischen den Ästen. Die Hütepferde für den Auftrieb wartetenbereits auf der Koppel und wimmelten erwartungsvoll durcheinander.
»Ich nehme den da«, sagte Alicia und deutete mit scharlachrotem Nagel auf einen besonders schönen Kastanienbraunen.
»Der ist ein bisschen frech«, warnte Ellie. »Wann bist du das letzte Mal geritten?«
»Bevor ich England verlassen habe.« Alicia war unbeeindruckt. »Du brauchst mir nicht zu sagen, was ich reiten kann und was nicht.« Sie öffnete das Gatter und bewegte sich ruhig zwischen den Tieren hindurch auf den braunen Wallach zu.
Ellie schaute besorgt zu, wie Alicia ihn tätschelte, sattelte und die Gurte überprüfte, ehe sie sich gewandt in den Sattel schwang.
»Deine Mutter ist auf der Fuchsjagd mitgeritten, seit sie sechs Jahre alt war«, sagte Aurelia leise. Sie reichte Ellie ihren Sattel herüber und machte sich dann daran, Boomerang für sich selbst bereitzumachen. »Entgegen allem Anschein kann sie mit einem Pferd umgehen – trotz der langen Fingernägel.«
Nachdem sie Boomerang dazu gebracht hatte, sie aufsteigen zu lassen, ließ
Weitere Kostenlose Bücher