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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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hinaus auf das schimmernde Gras. Es wogte meilenweit wie Wasser in einem munteren Bach, und der Wind ließ es tanzen und im Sonnenlicht funkeln. Und dort hinten, am fernen Horizont, stand die Staubwolke vom Jungbullenauftrieb auf Jarrah. Es wurde Zeit, dass sie ihre Fahrt fortsetzte.
    Aber es widerstrebte ihr, zu dem lärmenden Treiben bei den Pferchen zurückzukehren. Hier draußen war es friedlich, und sie hörte kaum einen Laut. Die Stille durchdrang sie, und ihre Gedanken wanderten zurück zu der Staubwolke, die sie vor all den Jahren erblickt hatte. Die Staubwolke, die eine Heimkehr angekündigt hatte.
    Ein paar Tage nach Neujahr 1942 war Ellie im Gemüsegarten und kämpfte gegen das Unkraut, das auch dann noch zu wuchern schien, wenn alles andere verwelkte und starb. Die Kartoffeln konnten ausgemacht werden, die Rote Beete ebenfalls, aber die Bohnen waren vertrocknet, und den Kohl hatten zum größten Teil die Schnecken aufgefressen. Ellie wischte sich den Schweiß von der Stirn, stützte sich auf den Spaten und legte eine Atempause ein. Fliegen umschwärmten sie, und selbst hier, im Schatten der Wilgas, war die Hitze unerträglich.
    Etwas bewegte sich auf der langen Zufahrt nach Warratah. Sie richtete sich auf und beschirmte ihre Augen vor dem grellen Sonnenlicht. Da kam jemand zu Fuß die unbefestigte Straße entlang, aber er war so weit weg, dass sie nicht erkennen konnte, wer es war. Sie ließ den Spaten fallen und griff nach dem Gewehr, das stets griffbereit lag. Sie war allein auf der Farm; Aurelia war mit den Boys dabei, die Jungtiere mit Brandzeichen zu versehen, Mum irgendwo mit Mickey unterwegs.
    Ellie wartete angespannt und wachsam ab. Allzu viele verdächtige Gestalten streiften heutzutage durch das Outback. Entwurzelte Individuen, die aus den Großstädten geflohen waren, um sich der Fabrikarbeit oder dem Militärdienst zu entziehen, Leute, die wenig Respekt vor dem Eigentum anderer hatten. Um Ärger aus dem Weg zu gehen, gaben Aurelia und Ellie ihnen meist Proviant und Wasser und schickten sie dann weiter, aber manchmal wurden diese Landstreicher frech, und dann mussten sie Jacky Jack rufen, damit er sie gewaltsam vertrieb.
    Die Gestalt watete durch das wässrige Hitzeflimmern und näherte sich langsam. Nach und nach erkannte Ellie, dass der Mann nicht allein war, sondern ein Pferd am Zügel führte und von einem kleinen Hund begleitet wurde. Sie blinzelte in das gleißende Licht, die Gestalt winkte – und endlich erkannte sie den Mann und rannte ihm entgegen.
    Das Pferd war mit Säcken beladen und ließ den Kopf hängen. Der getrocknete Schweiß hatte salzige Flecken auf seinem Fell hinterlassen. Erschöpft stapfte es auf der staubigen Piste heran. Der Terrier kläffte und rannte im Kreis um den rundlichen kleinen Mann mit dem strahlenden Lächeln herum, der ihr da entgegen kam.
    »Wang Lee!«, quiekte Ellie entzückt und warf sich ihm an den Hals. Sie hätte ihn beinahe umgeworfen. »Ich kann nicht glauben, dass du es wirklich bist.«
    Japsend tanzte der Hund auf den Hinterbeinen. Das Pferd kam taumelnd zum Stehen, und Wang Lee brach in Tränen aus. »Aber ich bin’s, Miss Ellie! Wang Lee so froh, er dich finden.«
    Ellie hielt ihn fest im Arm, und als sie so mitten auf der Straße standen, erkannte sie, dass es jetzt an ihr war, Trost und Zuflucht zu spenden. Wang Lee wirkte irgendwie geschrumpft, nicht mehr ganz so rund und ziemlich zerbrechlich unter demschmutzigen Kittel und der ausgebeulten Hose. In dem langen Zopf fanden sich graue Strähnen, und seine Schuhe wurden von Bindfäden zusammengehalten.
    Als die Tränenflut versiegt war, löste Wang Lee sich sanft aus ihrer Umarmung. Er verschränkte die Arme in den voluminösen Ärmeln seines Kittels und verneigte sich tief. »Wang Lee entschuldigen, dass weinen, Miss Ellie. Aber ich komme sehr weit, dich finden.«
    Ellie lächelte; es war so schön, diese musikalische Stimme wieder zu hören. »Wir unterhalten uns später«, sagte sie. »Lass uns erst mal zum Haus gehen. Wie es aussieht, könntet ihr einen ordentlichen Schluck Wasser und ein bisschen Ruhe vertragen, du und dein Pferd.« Sie betrachtete die dicken Satteltaschen und den Stapel von Säcken und Töpfen. »Ich sehe, du hast alles mitgebracht, sogar die Küchenspüle«, sagte sie scherzhaft.
    »Wang Lee hat viele Dinge«, sagte er, und das alte Funkeln war wieder zu ahnen. »Nicht zurücklassen.«
    Der kleine Hund rannte ihnen voraus und kam dann aufmunternd kläffend wieder

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