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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Pfeife. »Ich hab’s ihm versprochen. Man könnte wohl sagen, wir hatten uns verlobt.«
    Claire stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn in beide Hände. Das Haar, das ihr über Schultern und Rücken fiel, glänzte im letzten Tageslicht. Der Regen wurde heftiger. »Schön für dich«, sagte sie lächelnd. »Aber was war mit Mum? Wie kam sie zurecht?«
    Aurelia kaute auf dem Mundstück ihrer Pfeife. »Anfangs gut. Briefe kamen nur sporadisch, um es zurückhaltend zu sagen. Und wenn sie überhaupt kamen, waren sie hoffnungslos alt und fast unleserlich, weil der Zensor darin herumgestrichen hatte.«
    »Aber er hat ihr geschrieben, wie versprochen?«
    Aurelia nickte. »Alle paar Monate kam ein Stapel Briefe von Joe. Seamus schrieb ziemlich oft, und seine Briefe waren immer unterhaltsam – voller Anekdoten und boshaft treffender Karikaturen von den führenden Politikern der ganzen Welt. Aber sie wartete nur auf Joes Briefe.«
    Sie schwiegen beide gedankenversunken, bis Aurelia weitererzählte. »Meine Eltern hielten sich halbwegs wacker, aber ich hatte den Verdacht, dass sie beide genug hatten vom Krieg und der Rationierung. Ihr Anwesen war vom Militär übernommen und in ein Lazarett verwandelt worden. Pa war nicht begeistert und schrieb kurze, bissige PS-Anmerkungen unter Mutters Briefe, um seinem Ärger Luft zu machen. Er sorgte sich um seine Parkettböden und die Schäden, die sie mit ihren Nagelstiefeln darauf anrichten würden.«
    Claire lachte. »Offensichtlich hatte er andere Prioritäten als ihr.«
    »Hmm.« Aurelia lächelte. »Mutter dachte praktischer«, fuhr sie dann fort. »Ich weiß noch, dass sie den Gärtner veranlasste, all ihre Antiquitäten und Gemälde zu verpacken und im Weinkeller zu lagern.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte immer noch. »An der Kellertür ließ sie ein Vorhängeschloss anbringen, und den Schlüssel bewahrte sie nachts unter dem Kopfkissen und tagsüber in ihrem Korsett auf.«
    Claire lachte wieder. »Ich erinnere mich an ihr Foto, das auf deinem Schrank gestanden hat. Schätze, sicherer konnte sie den Schlüssel nicht unterbringen.«
    Aurelia nickte, als sie sich an ihre ziemlich gefährlich aussehende Mutter erinnerte. Die Erinnerung fiel nicht schwer – jeden Morgen trat Aurelia im Spiegel das gleiche Gesicht entgegen. »Mutter sah ziemlich streng aus – aber sie hatte einen wunderbaren Sinn für Albernheiten.«
    »Du hast gesagt, Mum kam anfangs gut zurecht«, sagte Claire mit ruhiger Entschlossenheit. »Wodurch hat sich das geändert?«
    »Durch zwei Dinge«, sagte Aurelia. »Eins ernster als das andere.«
    Claire schaute sie an, und der Blick ihrer blauen Augen war fest und unerschrocken.
    Aurelia räusperte sich. »Sie bekam einen Brief von Charlie.«
    »Von Charlie?« Die Augen weiteten sich und zeigten eine Wachsamkeit, die vorher nicht da gewesen war.
    Aurelia nickte. »Er wollte Joe sagen, dass ihm Leid tat, was er getan hatte. Er müsse oft an ihn denken, schrieb er, und er wünschte, sie könnten wieder zusammen sein. Der Krieg habe ihn erkennen lassen, dass das Leben für solche Fehden zu vergänglich sei, und er bitte Joe, ihm zu schreiben. Der Zensor hatte den Brief in Fetzen geschnitten, aber wir vermuteten, dass er irgendwo in Afrika war, denn Seamus hatte erwähnt, dass sie im selben Regiment dienten.« Aurelia nagte an ihrer Unterlippe. »Ellie schickte Joe den Brief mit einem, den sie selbst geschrieben hatte. Sie wusste, dass Joe sich wünschte, von seinem Bruder zu hören, und sie hoffte, dass der Brief den Zwist endlich beenden würde. Es war eine alte Wunde, und es wurde Zeit, dass sie heilte.«
    »Aber du hast gesagt, es waren zwei Dinge, die für Mum damals alles veränderten. Was war das zweite?«
    Aurelia dachte an Ellie und daran, wie sie vor all den Jahren gewesen war. »Der Geist von Warratah starb mit dem Gras. Deine Mutter fühlte sich entwurzelt, rastlos, unfähig, zu dem inneren Frieden zu finden, den sie brauchte, um über die Runden zu kommen. Sie hielt natürlich die Fassade aufrecht, ihr sonniges Wesen, das ihren beinahe triebhaften Drang zum Arbeiten verbarg, und saß stundenlang im Sattel. Aber ich sah wohl, dass ihr Nervenkostüm verschlissen war, und ich wünschte, ich hätte etwas tun können.«
    Sie schaute Ellies Tochter an und seufzte. »Aber was hätte ich ihr sagen können? Was hatte ich ihr zu bieten außer Klischees und falschen Hoffnungen, die sich jederzeit zerschlagen konnten?« Sie schwieg kurz. »Die

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