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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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beiden Premierminister, Curtin und Churchill, kamen überein, dass die 6. und die 7. Division von Afrika nach Niederländisch Ostindien verlegt werden sollten, da Australien jetzt ernstlich bedroht war, aber das unglaublich schnelle Vordringen des Feindes machte dies unmöglich.
    Aurelia schloss die Augen. Die Qualen jener Tage kehrten mit solcher Wucht zurück, dass es ihr den Atem verschlug. Als sie sich wieder ruhiger fühlte, schaute sie Claire an. Ihre Stimme war fast ein Flüstern. »Singapur fiel am 15. Februar 1942. Danach hörte Ellie nichts mehr von Joe.«
    Beschäftigt mit ihren Erinnerungen und der Sorge um Claire und Leanne, geriet Ellie mit dem Geländewagen in eine ausgefahrene Rinne und wäre beinahe umgekippt. Nur mit Mühe behielt sie die Gewalt über den Wagen. Schließlich gelang es ihr, ihn von der Piste herunter auf eine Schieferfläche am Fuße eines Felsens zu lenken. Sie musste sich ausruhen; es war unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn man durch den Busch fuhr – einfach zu gefährlich.
    Sie stieg aus und zog eine Jacke an. Der Tag war bedeckt und kühl. Fröstelnd schaute sie an der Felswand hinauf. Im Zwielicht sah sie abweisend aus – nicht wie ein magischer Zufluchtsort mit uralten Höhlen, die sie und Joe und Seamus als Kinder erforscht hatten. Sie zündete sich eine Zigarette an, stapfte über die Schieferfläche und blieb unter einem überhängenden Felsen stehen. Da oben liegt eine Höhle, erinnerte sie sich, mit Zeichnungen an den Wänden, die Jahrhunderte überdauert hatten. Grobe Bilder von Kängurus und Wombats, von Kriegern mit Speeren und Keulen, von Totemgeistern aus der Traumzeit.
    Sie überlegte kurz, trat ihre Zigarette aus und machte sich ans Klettern. Es war Jahre her, seit sie so etwas getan hatte, und sie wusste nicht, ob sie es noch schaffen würde. Aber die Aussicht wäre der Mühe wert. Früher hatte sie Stunden dort oben auf dem Felsen zugebracht und einfach auf das Land hinausgeschaut. Es war ein Zufluchtsort für sie geworden; hier hatte sie den Tränen freien Lauf lassen können, und hier hatte sie den inneren Frieden zum Beten gefunden. Vielleicht wirkte die Magie noch immer.
    Das Gestein war schlüpfrig nach dem Regen, aber die dickenSohlen ihrer Stiefel fanden festen Halt zwischen Felsen und Gestrüpp. Ellie blieb stehen, um Luft zu holen, und schlang sich die Jacke um die Taille. Ich sollte wirklich aufhören mit dem Rauchen, dachte sie. Ich war früher nicht so leicht außer Atem. »Hängt wahrscheinlich auch mit dem Alter zusammen«, knurrte sie, als sie endlich oben angekommen war und erschöpft zu Boden sank.
    Als ihr Puls sich wieder normalisiert hatte, schob sie sich die Jacke als Kissen unter und schlang die Arme um die Knie. Die Erinnerung hatte nicht getrogen – das sah sie, als sie auf das Weideland zwischen Warratah und Jarrah hinausschaute: Die Aussicht war prachtvoll.
    Dampf stieg auf, wo die Sonne auf die feuchte Erde brannte; es sah aus, als wateten die Rinder auf den Weiden schultertief im Wasser. Adler schwebten hoch oben in der warmen Thermik, und Ellie hörte das Krächzen der Krähen und das einsame Gelächter eines Kookaburra irgendwo in der Ferne. Eukalyptusduft wehte zu ihr herauf, und sie schloss die Augen. Es war, als hätte es die Jahre seitdem nie gegeben. Sie war wieder neunzehn.
    Der alte Grauschimmel war am Silvestertag 1941 eingegangen. Jacky Jack hatte geholfen, ihn unter einem der Pfefferbäume zu begraben, in deren Schatten die Pferdekoppel lag. Er war das letzte Bindeglied zu ihrem Vater und dem langen Treck hierher gewesen, und obwohl sie neunzehn und erwachsen gewesen war, empfand sie den Verlust schmerzlich. So war sie an diesen Ort gekommen, an dem niemand sie weinen sehen konnte, und hatte die Nacht hier verbracht, zusammengerollt unter einer Wolldecke im Schutz der Höhle hinter ihr. Es sollte die erste von vielen Nächten nach dem Fall Singapurs sein.
    Ellie warf einen Blick über die Schulter, und ein kühler Schauder rieselte ihr über den Rücken. Der Höhleneingang gähnte dunkel und verlockte sie, einzutreten und seine Geheimnisse zu entdecken. Sie schaute weg. Alter und Erfahrung hatten siegelehrt, dass Höhlen gefährlich sein konnten. Man konnte nie wissen, was drinnen lauerte, und sie erinnerte sich noch, wie sie und die Jungen einmal über verkohlte tönerne Trauerhüte der Aborigines gestolpert waren und gedacht hatten, es seien Totenschädel.
    Sie lächelte bei dieser Erinnerung und blickte

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