Ange Pitou, Band 2
der Königin ging er mit hastigen Schritten von tausend fieberhaften Gedanken bewegt, im Zimmer auf und ab.
Marie Antoinette trat gerade auf ihn zu.
Herr von Charny! rief sie, Herr von Charny, Sie hier?
Und als sie sah, daß er sich der Etikette gemäß ehrfurchtsvoll verbeugte, winkte sie einer Kammerfrau; diese entfernte sich und schloß die Thüre.
Die Königin ließ der Thüre kaum Zeit sich zu schließen, nahm Herrn von Charny kräftig bei der Hand und rief:
Graf, warum sind Sie hier?
Weil ich glaubte, es sei meine Pflicht, zu kommen, Madame, erwiderte der Graf.
Nein; Ihre Pflicht war, Versailles zu meiden, zu thun, was beschlossen war, mir zu gehorchen, es zu machen, wie es alle meine Freunde machen, -- die Angst vor meinem Glück haben... Ihre Pflicht ist, nichts meinem Geschick zu opfern; Ihre Pflicht ist, sich von mir zu entfernen, mich zu fliehen.
Sie zu fliehen! Und wer flieht Sie denn, Madame?
Diejenigen, welche vernünftig sind.
Ich glaube sehr vernünftig zu sein, und darum bin ich nach Versailles gekommen.
Und woher kommen Sie?
Von Paris, vom kochenden, trunkenen, mit Blut besudelten Paris.
Die Königin drückte ihre beiden Hände an ihr Gesicht.
Oh! sagte sie, nicht einer, nicht einmal Sie kommen, um mir eine gute Nachricht zu bringen!
Madame, unter den Umständen, in denen wir uns befinden, verlangen Sie von Ihren Boten, daß sie Ihnen nur eines verkündigen: die Wahrheit.
Wollen Sie mir die Wahrheit sagen?
Wie immer, Madame.
Sie sind eine ehrliche Seele, ein wackres Herz.
Ich bin ein treuer Unterthan, Madame, nichts andres.
Nun denn! ich bitte für den Augenblick, mein Freund, sagen Sie mir nicht ein Wort. Sie kommen zu einer Stunde, wo mein Herz bricht; meine Freunde erdrücken mich heute zum erstenmal mit der Wahrheit, die Sie mir immer gesagt haben.
Oh! Graf, es war unmöglich, mir diese Wahrheit länger zu verschweigen, sie bricht in allem hervor: am Himmel, der rot ist, in der Luft, die sich mit dumpfen Geräuschen erfüllt, in der Physiognomie der Höflinge, die bleich und ernst sind. Nein! nein! Graf, zum erstenmal in Ihrem Leben sagen Sie mir nicht die Wahrheit.
Der Graf schaute die Königin an.
Ja, ja, sagte sie, nicht wahr. Sie, der Sie mich als mutig kennen. Sie erstaunen? Oh! Sie sind mit Ihrem Erstaunen noch nicht zu Ende!
Herr von Charny machte eine fragende Gebärde.
Sie werden sogleich sehen, sagte die Königin mit einem nervösen Lachen.
Eure Majestät leidet? fragte der Graf.
Nein, mein Herr, setzen Sie sich zu mir, und nicht ein Wort mehr über diese abscheuliche Politik ... Machen Sie, daß ich vergesse.
Der Graf gehorchte mit einem traurigen Lächeln.
Marie Antoinette legte ihre Hand auf seine Stirne.
Ihre Stirne glüht, sagte sie.
Ja, ich habe einen Vulkan im Kopfe.
Ihre Hand ist eiskalt.
Und sie drückte die Hand des Grafen in ihren Händen.
Mein Herz ist von der Kälte des Todes berührt, sagte er.
Armer Olivier, ich sagte es ihnen wohl, vergessen wir.
Ich bin nicht mehr die Königin; ich bin nicht mehr bedroht; ich bin nicht mehr gehaßt! Nein, ich bin nicht mehr Königin! ich bin Weib. Was ist das Weltall für mich? Ein Herz, das mich liebt, das würde mir genügen.
Der Graf kniete vor der Königin nieder und küßte ihr die Füße mit jener Ehrfurcht, welche die Ägypter für die Göttin Isis hegten.
Oh! Graf, mein einziger Freund, sprach die Königin, während sie ihn aufzuheben suchte, wissen Sie, was mir die Herzogin Diana that?
Sie wandert aus, antwortete Charny, ohne zu zögern.
Er hat es erraten, rief Marie Antoinette; er hat es erraten! Ach! Man konnte das also erraten?
Oh! mein Gott, ja Madame, erwiderte der Graf, alles läßt sich in diesem Augenblick denken.
Aber Sie und die Ihrigen, rief die Königin, warum wandern Sie nicht ebenfalls aus, da das eine so natürliche Sache ist?
Ich, vor allem, Madame, thue es nicht, weil ich Eurer Majestät tief ergeben bin, und weil ich mir gelobt habe, nicht ihr, sondern mir selbst, sie nicht einen Augenblick während des Sturmes, der heranzieht, zu verlassen. Meine Brüder werden nicht auswandern, weil mein Benehmen das Beispiel sein wird, nach dem sie das ihrige richten; Frau von Charny endlich wird nicht auswandern, weil sie Eure Majestät -- wenigstens glaube ich das -- aufrichtig liebt.
Ja, Andree ist ein sehr edles Herz, sprach die Königin mit einer sichtbaren Kälte.
Darum wird sie Versailles nicht verlassen, fügte Herr von Charny bei.
Somit werde ich sie immer bei mir
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