Ange Pitou, Band 2
Ton, denn wenn ich mit meinen schönen englischen Pferden, mit meinem goldenen Rock und mit meinen Leuten, deren silberne Tressen mehr kosten, als man brauchte, um drei Familien zu ernähren, auf den Boulevards spazieren fahre, so fragt sich Ihr Volk, das heißt, es fragen sich diese fünfundzwanzig Millionen ausgehungerte Menschen, wozu ich ihnen diene, ich, der ich nur ihresgleichen sei.
Sie dienen ihnen mit diesem, Olivier, rief die Königin,indem sie den Degen des Grafen am Griff faßte, Sie dienen ihnen mit diesem Degen, den Ihr Vater als Held bei Fontenon gehandhabt hat; den Ihr Großvater bei Steenkerke, Ihr Urgroßvater bei Lens und Rocroi, Ihre Ahnen bei Ivry, bei Maridnan, bei Aziencourt geführt haben. Der Adel dient dem französischen Volk durch den Krieg, er hat das Gold, das seine Röcke verbrämt, das Silber, das seine Livreen bedeckt, durch den Krieg um den Preis seines Blutes gewonnen. Fragen Sie sich also nicht mehr, Olivier, wozu Sie dem Volke dienen, Sie, der Sie ebenfalls als Braver diesen Degen führen, den Ihnen Ihre Väter vermacht haben!
Madame, Madame, sprechen Sie nicht so viel vom Blute des Adels! das Volk hat auch Blut in den Adern; sehen Sie die vor der Bastille fließenden Bäche; zählen Sie seine auf dem geröteten Pflaster ausgestreckten Toten und erfahren Sie, daß deren Herz, das nicht mehr schlägt, an dem Tage, wo Ihre Kanonen gegen dieselben donnerten, so edel geschlagen hat, als das eines Ritters; an dem Tage, wo das Volk, eine für seine Hand unbekannte Waffe schwingend, mitten unter dem Kartätschenhagel Lieder anstimmte, was unsre braven Grenadiere nicht immer thun. Ei! Madame, ei! meine Königin, ich bitte Sie inständig, schauen Sie mich nicht mit diesen zornigen Augen an. Was ist ein Grenadier? Es ist ein blauer verbrämter Rock auf dem Herzen des Volks, von dem ich soeben sprach. Was ist der Kugel, die durchbohrt und tötet, daran gelegen, ob das Herz mit blauem Tuch oder mit einem Fetzen Zwillich bedeckt ist? Was liegt dem Herzen, das bricht, daran, ob die Hülle, die es beschützte, von Drillich oder von Tuch war? Die Zeit ist gekommen, an alles das zu denken, Madame; Sie haben nicht mehr fünfundzwanzig Millionen Sklaven in Frankreich; Sie haben nicht mehr fünfundzwanzig Millionen Unterthanen, Sie haben sogar nicht mehr fünfundzwanzig Millionen Menschen, Sie haben fünfundzwanzig Millionen Soldaten.
Die gegen mich kämpfen werden, Graf?
Ja, gegen Sie, denn sie kämpfen für die Freiheit, und Eure Majestät steht zwischen ihnen und der Freiheit.
Ein langes Stillschweigen folgte auf diese Worte des Grafen. Die Königin brach es zuerst.
Nun, sprach sie, die Wahrheit, die ich Sie mir nicht zu sagen bat, Sie haben Sie mir also gesagt?
Ach! Madame, antwortete Charny, unter welcher Form sie meine Ergebenheit auch verbirgt, unter welchem Schleier sie auch meine Ehrfurcht erstickt, wider meinen Willen, wider Ihren Willen, schauen Sie, hören Sie, fühlen Sie, betasten Sie, denken Sie, träumen Sie: die Wahrheit ist da, Madame, ewig da, und Sie werden nicht mehr imstande sein, sie von Ihnen zu verbannen, wie sehr Sie sich auch anstrengen mögen! Schlummern Sie, schlafen Sie, um zu vergessen, und sie wird sich zu Ihren Häupten setzen, und sie wird das Gespenst Ihrer Träume, die Wirklichkeit Ihres Erwachens sein.
Oh! Graf, sagte die Königin stolz, ich kenne einen Schlaf, den sie nicht stören wird.
Diesen, Madame, fürchte ich so wenig, als Eure Majestät, und ich wünsche ihn vielleicht ebensosehr, als sie.
Oh! sprach die Königin mit Verzweiflung, Ihrer Ansicht nach ist dies also unsre einzige Zuflucht?
Ja, -- doch übereilen wir nichts, Madame! gehen wir nicht schneller, als unsre Feinde, und wir gehen eben durch die Beschwerlichkeiten, die uns so viele Tage des Sturms bereiten, geradeswegs zu dem Schlaf.
Und ein neues Stillschweigen, noch düsterer, als das erste, lastete auf Marie Antoinette und Olivier von Charny. Sie saßen, er bei ihr, sie bei ihm. Sie berührten sich, und dennoch war eine unermeßliche Kluft zwischen ihnen! Es war der Zwiespalt ihrer Geister, die getrennt auf den Wogen der Zukunft schwebten.
Die Königin kam zuerst auf den Gegenstand des Gesprächs zurück, doch auf einem Umweg. Sie schaute den Grafen starr an und sprach:
Mein Herr, ein letztes Wort über uns; -- und ... Sie werden mir alles sagen, alles, alles, alles, hören Sie wohl!
Ich höre, Madame.
Sie schwören mir, daß Sie nur meinetwegen gekommen sind?
Oh! Sie zweifeln
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