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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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führen Sie einiges an, Herr Gilbert, führen Sie einzelnes an.
    Ich habe gesagt, überall, antwortete Gilbert kalt, weil ich in der That überall studiert habe: im Palast und in derHütte, in der Stadt und in der Wüste, an uns und am Tier, an mir und an andern, wie es sich geziemt für einen Mann, der die Wissenschaft liebt und sie überall nimmt, wo sie ist, das heißt überall.
    Besiegt, schleuderte die Königin Gilbert einen furchtbaren Blick zu, indes der Doktor seinerseits sie mit einer in Verzweiflung setzenden Starrheit anschaute.
    Sie schüttelte sich krampfhaft und warf, indem sie sich umwandte, den kleinen Gueridon um, auf dem man ihr ihre Chokolade in einer Tasse von Sevres serviert hatte.
    Gilbert sah den Tisch fallen, sah die Tasse zerbrechen, rührte sich aber nicht.
    Die Röte stieg Marie Antoinette zu Gesicht; sie fuhr mit einer kalten, feuchten Hand an ihre brennende Stirne und war im Begriff, die Augen abermals zu Gilbert aufzuschlagen, wagte es aber nicht.
    Nun schützte sie für sich selbst eine Verachtung vor, die größer sein sollte, als der Uebermut.
    Und unter welchem Meister haben Sie studiert? fuhr die Königin, das Gespräch da, wo sie es gelassen hatte, wieder aufnehmend, fort.
    Ich weiß nicht, wie ich Eurer Majestät antworten soll, ohne Gefahr zu laufen, sie abermals zu verwunden.
    Die Königin fühlte den Vorteil, den ihr Gilbert geboten, und warf sich darauf wie eine Löwin.
    Mich verwunden! Sie mich verwunden! rief sie. Oh! mein Herr, was sagen Sie da? Sie eine Königin verwunden! Sie täuschen sich, das schwöre ich Ihnen. Ah! Herr Doktor Gilbert, Sie haben die französische Sprache nicht an so guten Quellen studiert, wie die Arzneikunde. Man verwundet die Leute von meinem Stande nicht, Herr Doktor Gilbert, man ermüdet sie nur.
    Gilbert verbeugte sich und machte einen Schritt nach der Thüre, doch ohne daß es der Königin möglich war, in seinem Gesicht die geringste Spur von Zorn, das kleinste Zeichen von Ungeduld zu entdecken.
    Die Königin stampfte im Gegenteil vor Wut mit dem Fuß; sie machte einen Sprung, als wollte sie Gilbert zurückhalten.
    Er begriff.
    Verzeihen Sie, Madame, sagte er. Es ist wahr, ich beging das unverzeihliche Unrecht, zu vergessen, daß ich als Arzt vor eine Kranke gerufen bin. Entschuldigen Sie: ich werde mich fortan dessen erinnern.
    Und er blieb.
    Eure Majestät, fuhr er fort, scheint mir einer Nervenkrise nahe zu sein. Ich möchte sie bitten, sich dieser Neigung nicht hinzugeben; bald wäre sie nicht mehr Meisterin darüber. In diesem Augenblick muß der Puls stocken, das Blut fließt zum Herzen zurück: Eure Majestät leidet. Eure Majestät ist dem Ersticken nahe, und vielleicht wäre es klug, wenn sie eine von ihren Frauen rufen ließe.
    Die Königin ging einmal im Zimmer auf und ab, setzte sich dann wieder und fragte: Sie heißen Gilbert?
    Gilbert, ja, Madame.
    Das ist seltsam! Ich habe eine Jugenderinnerung, deren sonderbare Existenz, wenn ich sie Ihnen mitteilte, Sie ohne Zweifel sehr verwunden würde. Doch gleichviel! verwundet, würden Sie sich heilen. Sie, der Sie nicht minder solider Philosoph, als gelehrter Arzt sind, fügte die Königin bei.
    Und sie lächelte spöttisch.
    So ist es gut, Madame, sagte Gilbert, lächeln Sie und bezähmen Sie allmählig Ihre Nerven durch den Spott. Es ist eines der schönsten Vorrechte des verständigen Willens, sich in solcher Weise selbst zu befehlen. Bezähmen Sie, Madame, bezähmen Sie, doch ohne zu zwingen.
    Diese Vorschrift des Arztes wurde mit einem so freundlichen und gutmütigen Wesen gegeben, daß die Königin, obgleich sie die Ironie fühlte, über das, was Gilbert ihr gesagt, nicht böse werden konnte.
    Nur nahm sie den Angriff wieder auf, wo sie sich darin unterbrochen hatte, und sprach:
    Hören Sie also die Jugenderinnerung, von der ich rede.
    Gilbert verbeugte sich zum Zeichen, daß er höre.
    Die Königin raffte sich zusammen, heftete ihren Blick auf den seinigen und sagte:
    Ich war damals Dauphine und wohnte in Trianon. Es befand sich da in dem Garten ein kleiner, ganz schwarzer, erdfarbiger, sehr verdrießlicher Junge, eine Art von kleinem Jean Jacques, der mit seinen gekrümmten Pfoten jätete, abraupte, grub. Er hieß Gilbert.
    Das war ich, Madame, sagte der Doktor phlegmatisch.
    Sie? versetzte Marie Antoinette mit einem Ausdrucke des Hasses. Ich hatte also recht! Sie sind also kein Mann der Studien!
    Ich denke, da Eure Majestät ein so gutes Gedächtnis hat, so erinnert sie sich wohl

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