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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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auch der Epoche, sagte Gilbert. Es war, wenn ich mich nicht täusche, im Jahr 1772, als der kleine Gärtnerjunge, von dem Eure Majestät spricht, in den Blumenbeeten von Trianon die Erde umgrub, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wir sind im Jahre 1789. Die Dinge, die Sie berühren, Madame, sind folglich vor siebzehn Jahren vorgefallen. Das sind viele Jahre in der Zeit, in der wir leben. Das ist mehr, als man braucht, um aus einem Wilden einen Gelehrten zu machen, die Seele und der Geist entwickeln sich rasch in gewissen Verhältnissen, wie die Pflanzen und die Blumen im warmen Gewächshaus frühzeitig treiben; die Revolutionen, Madame, sind die warmen Treibhäuser der Intelligenz. Eure Majestät schaut mich an, und trotz der Schärfe ihres Blickes bemerkt sie nicht, daß das Kind von sechzehn Jahren nunmehr ein Mann von dreiunddreißig ist; sie hat also unrecht, sich zu wundern, daß der unwissende, der unschuldige kleine Gilbert unter dem Flammenhauch von zwei Revolutionen ein Gelehrter und ein Philosoph geworden ist.
    Unwissend, das mag sein; doch unschuldig, unschuldig haben Sie gesagt, rief die Königin im höchsten Gradeaufgeregt, ich glaube, Sie haben den kleinen Gilbert unschuldig genannt!
    Habe ich mich getäuscht, Madame, oder diesen kleinen Knaben mit einer Eigenschaft begabt, die er nicht besaß, so begreife ich nicht, inwiefern Eure Majestät es besser wissen kann, als ich, daß er den entgegengesetzten Fehler hatte.
    Oh! das ist etwas andres, sagte die Königin verdüstert; vielleicht werden wir eines Tages hiervon sprechen; doch mittlerweile, ich bitte Sie, kommen wir auf den Mann zurück, auf den gelehrten Mann, auf den vervollkommneten Mann, auf den vollkommenen Mann, den ich vor Augen habe.
    Dieses Wort vollkommen nahm Gilbert nicht auf. Er begriff zu sehr, daß es eine neue Beleidigung war.
    Kommen wir auf ihn zurück, Madame, antwortete Gilbert einfach, und sagen Sie, in welcher Absicht Eure Majestät ihm den Befehl hat zukommen lassen, bei ihr zu erscheinen.
    Sie schlagen sich zum Arzt des Königs vor. Sie begreifen aber, mein Herr, daß mir die Gesundheit meines Gemahls zu sehr am Herzen liegt, um sie einem Manne anzuvertrauen, den ich nicht ganz genau kenne.
    Ich habe mich vorgeschlagen, Madame, und ich bin angenommen worden, ohne daß Eure Majestät mit Recht den geringsten Verdacht hinsichtlich meiner Fähigkeit oder meines Eifers fassen kann. Ich bin hauptsächlich politischer Arzt, Madame, empfohlen durch Herrn Necker. Was das übrige betrifft, wenn der König je meiner Wissenschaft bedarf, so werde ich ihm, soweit das menschliche Wissen dem Werke des Schöpfers zu nützen vermag, auch ein guter physischer Arzt sein. Was ich aber besonders dem König sein werde, Madame -- außer dem guten Rat und dem guten Arzt -- das ist ein guter Freund.
    Ein guter Freund! rief die Königin mit einem neuen Ausbruch von Verachtung; Sie, mein Herr, ein Freund des Königs!
    Sicherlich, antwortete Gilbert ruhig; warum nicht, Madame?
    Ah! ja, immer kraft Ihrer geheimen Gewalten, mit Hilfe Ihrer verborgenen Wissenschaft, murmelte sie. Wer weiß? wirhaben die Jacques und die Maillotin gesehen; wir kehren vielleicht zum Mittelalter zurück! Sie rufen die Liebestränke und die Zaubermittel wieder ins Leben. Sie werden Frankreich durch die Magie regieren; Sie werden Faust oder Nikolas Flamel sein.
    Ich habe diese Anmaßung nicht, Madame.
    Ei, schade, daß Sie sie nicht haben, mein Herr! Wie viel Ungeheuer würden Sie auf der Schwelle unsrer Hölle einschläfern!
    Als sie das Wort sprach: Sie würden einschläfern , heftete die Königin ihren Blick forschernder als je auf den Doktor.
    Diesmal errötete Gilbert unwillkürlich.
    Das war eine unbeschreibliche Freude für Marie Antoinette. Sie fühlte, daß diesmal der Schlag, den sie gethan, wirklich verwundet hatte.
    Denn Sie schläfern ein, fuhr sie fort; Sie, der Sie überall und über alles studiert haben, Sie haben ohne Zweifel die Wissenschaft des Magnetismus mit den Einschläferern unsres Jahrhunderts studiert, mit diesen Leuten, die aus dem Schlafe einen Verrat machen und die Geheimnisse der andern in ihrem Schlafe lesen?
    In der That, Madame, ich habe oft und lange unter dem gelehrten Cagliostro studiert.
    Ja, unter demjenigen, welcher diesen moralischen Diebstahl, von dem ich soeben sprach, ausübte und seine Adepten ausüben ließ, unter demjenigen, welcher mit Hilfe dieses magischen und, wie ich ihn nennen muß, schändlichen Schlafes den einen die

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