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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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voller Blitze und Donner in der Tiefe ihres Herzens tobte.
    Doch wie hätte ein menschliches Geschöpf, und wäre es eine Frau gewesen, unter diesem Flammenwirbel von Zorn und Grimm der Spur der seltsamen entgegengesetzten Gefühle folgen können, die im Gehirn der Königin aneinander stießen, und ihr die Brust von allen den tödlichen Giften anschwellten, die Homer beschreibt?
    Die Königin entließ mit dem Blick alle Welt, selbst Frau von Misery. Jedermann entfernte sich.
    Die Königin wartete, bis die Thüre hinter der letzten Person geschlossen war; dann richtete sie die Augen wieder auf Gilbert, und bemerkte, daß er nicht aufgehört hatte, sie anzuschauen.
    So viel Kühnheit brachte sie außer sich.
    Dieser Blick des Doktors war scheinbar harmlos; aber stät und fortdauernd, sich absichtlich einbohrend, wurde er dergestalt lästig, daß sich Marie Antoinette genötigt fühlte, dagegen zu kämpfen.
    Nun! mein Herr, sagte sie mit der Brutalität eines Pistolenschusses, was stehen Sie so vor mir und schauen mich an, statt mir zu sagen, woran ich leide?
    Diese wütende Anrede, verstärkt durch die Blitze des Blickes, hätten jeden Höfling der Königin niedergeschmettert, zu den Füßen von Marie Antoinette um Gnade flehend, einen Marschall von Frankreich, einen Helden, einen Halbgott fallen gemacht.
    Gilbert aber antwortete ruhig: Durch die Augen, Madame, urteilt der Arzt zuerst. Wenn ich Eure Majestät, die mich hat rufen lassen, anschaue, so befriedige ich nicht eine leereNeugierde, ich treibe mein Gewerbe, ich gehorche Ihren Befehlen.
    So haben Sie mich studiert?
    Soviel es in meiner Macht war, Madame.
    Bin ich krank?
    Nicht in der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Eure Majestät leidet an einer Ueberreizung.
    Ah! ah! versetzte Marie Antoinette spöttisch, warum sagen Sie nicht lieber kurzweg, ich sei zornig?
    Eure Majestät, da sie einen Arzt hat rufen lassen, wird wohl erlauben, daß sich der Arzt des medizinischen Ausdruckes bedient.
    Gut. Und woher diese Ueberreizung?
    Eure Majestät hat zu viel Geist, um nicht zu wissen, daß der Arzt mittelst seiner Erfahrungen und Ueberlieferungen des Studiums bloß das materielle Uebel errät, daß er aber kein Wahrsager ist, um beim ersten Anblick die menschlichen Seelen ergründen zu können.
    Damit meinen Sie, beim zweiten oder dritten Male können Sie sagen, nicht nur, was ich leide, sondern auch, was ich denke?
    Vielleicht, Madame, erwiderte Gilbert kalt.
    Die Königin hielt bebend inne; man sah auf ihren Lippen das Wort bereit, brausend und zerfressend hervorzuspringen.
    Sie bezwang sich.
    Man muß Ihnen glauben, sagte sie, Ihnen, einem gelehrten Mann.
    Und sie betonte diese letzten Worte mit einer so grimmigen Verachtung, daß auch das Auge Gilberts vom Feuer des Zorns zu flammen schien.
    Doch eine Sekunde des Kampfes genügte für diesen Mann, daß er sich selbst besiegte.
    Die Stirne ruhig und das Wort frei, antwortete er alsbald:
    Eure Majestät ist allzu gütig, daß sie das Patent eines gelehrten Mannes bewilligt, ohne mein Wissen erprobt zu haben.Die Königin biß sich auf die Lippen.
    Sie begreifen, daß ich nicht weiß, ob Sie gelehrt sind, erwiderte sie, aber man behauptet es, und ich sage es aller Welt nach.
    Ei! sprach Gilbert ehererbietig, während er sich tiefer verbeugte, als er es vorher gethan hatte, Eure Majestät, ein Verstand wie der Ihre sollte nicht blindlings wiederholen, was der gemeine Haufen behauptet.
    Sie wollen sagen, das Volk? versetzte die Königin übermütig.
    Der gemeine Haufen, Madame, erwiderte Gilbert mit einer Festigkeit, die das Herz der für unbekannte Bewegungen so schmerzlich empfänglichen Frau beben machte.
    Streiten wir nicht hierüber, sagte sie. Man nennt Sie gelehrt, das ist das Wesentliche. Wo haben Sie studiert?
    Ueberall, Madame.
    Das ist keine Antwort.
    Nirgends also.
    Ich höre das lieber. Sie haben nirgends studiert?
    Wie es Ihnen beliebt, Madame, antwortete der Doktor, sich verbeugend. Und dennoch ist das minder genau, als zu sagen: überall.
    So antworten Sie, rief die Königin außer sich, und ich bitte besonders, Herr Gilbert, verschonen Sie mich mit diesen Phrasen.
    Dann fügte sie bei, als spräche sie mit sich selbst: Ueberall! Was soll das bedeuten? Das ist das Wort eines Charlatans, eines Empirikers, eines Arztes der öffentlichen Plätze. Beabsichtigen Sie etwa, mir durch großartig klingende Silben zu imponieren?
    Und mit glühenden Augen und bebenden Lippen streckte sie einen Fuß aus.
    Ueberall!

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