Ange Pitou, Band 3
steigt ein Mann die Stufen der Freitreppe herab, dringt mit einem Briefe in der Hand durch die Menge und arbeitet mit Händen und Füßen so gut, daß er bis zu Lafayette gelangt. Dieser Mann ist der unermüdliche Billot.
Nehmen Sie, General, spricht er, das ist von den Dreihundert. So nannte man die Wähler.
Lafayette erbricht das Siegel und sucht den Brief leise zu lesen; aber gleichzeitig rufen ihm zwanzigtausend Stimmen zu:
Den Brief! den Brief!
Lafayette ist also genötigt, den Brief laut zu lesen. Er winkt, um Stillschweigen zu verlangen. In demselben Augenblick folgt, wie durch ein Wunder, die Stille auf den ungeheuren Tumult, und ohne daß man ein einziges Wort verliert, liest Lafayette folgenden Brief:
In Betracht der Umstände und des vom Volke ausgesprochenen Wunsches, sowie auf die Vorstellung des Herrn Generalkommandanten, daß es unmöglich sei, dies zu verweigern, ermächtigt man den Herrn Generalkommandanten und befiehlt ihm sogar, sich nach Versailles zu begeben.
Vier Kommissäre der Gemeinde werden ihn begleiten.
Der arme Lafayette hatte den Herren Wählern, denen es nicht unangenehm war, einen Teil der Verantwortlichkeit für die Ereignisse, die vorfallen würden, ihm zu überlassen, durchaus keine Vorstellung gemacht. Aber das Volk glaubte, er habe es wirklich gethan , und das Volk, mit dessenWünschen die Vorstellung des Generalkommandanten im Einklang stand, das Volk rief: Es lebe Lafayette!
Da wiederholte Lafayette erbleichend: Nach Versailles!
Fünfzehntausend Männer folgten ihm mit einem Enthusiasmus, der stiller, aber zugleich furchtbarer war, als der der Weiber, die als Vorhut abgegangen waren.
Alle diese Menschen sollten sich in Versailles aneinander anschließen, um vom König die bei der Orgie am 1. und 2. Oktober von der Tafel der Gardes-du-corps gefallenen Brotkrümchen zu verlangen.
Ungnade.
Wie immer, war man in Versailles in völliger Unwissenheit über das, was in Paris vorging.
Nach der geschilderten Szene, zu der sich die Königin am andern Tag Glück gewünscht, ruhte sie aus.
Sie besaß ein Heer, sie besaß Trabanten, sie hatte ihre Feinde gezählt, sie wünschte den Kampf zu beginnen.
Hatte sie nicht die Niederlage vom 14. Juli zu rächen? Hatte sie nicht die Fahrt des Königs nach Paris, eine Fahrt, von der er mit der dreifarbigen Kokarde am Hut zurückgekommen, bei ihrem Hofe und bei sich selbst vergessen zu machen?
Die arme Frau, sie dachte nicht von fern an die Fahrt, die sie selbst zu machen genötigt sein sollte.
Seit ihrem Streite mit Charny hatte sie nicht mehr mit diesem gesprochen. Sie befliß sich scheinbar, Andree mit jener alten, einen Augenblick in ihrem Herzen verdüsterten Freundschaft zu behandeln, die aber im Busen ihrer Nebenbuhlerin auf immer erloschen war.
Was Charny betrifft, so wandte sie sich nur an ihn, wenn sie genötigt war, wegen seines Dienstes ein Wort an ihn zu richten oder ihm einen Befehl zu geben.
Das war keine Familienungnade, denn gerade am Morgen des Tages, wo die Pariser Paris verlassen sollten, um nach Versailles zu kommen, sah man die Königin sehr freundlich mit dem jungen Georges von Charny plaudern, mit demzweiten der drei Brüder, der, Olivier entgegengesetzt, der Königin bei der Nachricht von der Einnahme der Bastille, so kriegerische Ratschläge gegeben hatte.
Gegen neun Uhr morgens schritt dieser junge Offizier durch die Gallerie, um dem Jägermeister zu melden, der König wolle jagen, als ihn Marie Antoinette erblickte.
Wohin eilten Sie so, mein Herr? fragte sie.
Ich eilte nicht mehr, sobald ich Eure Majestät erblickte, erwiderte Georges; ich blieb im Gegenteil stehen und wartete in Demut auf die Ehre, die sie mir dadurch erweist, daß sie mich anspricht.
Das verhindert Sie nicht, mein Herr, mir zu antworten und mir zu sagen, wohin Sie gehen.
Madame, ich bin von der Eskorte. Seine Majestät jagt, und ich will die Befehle des Oberjägermeisters einholen.
Ah! der König jagt heute abermals, sprach die Königin, während sie nach den Wolken schaute, die schwer und schwarz von Paris herrollten; er hat unrecht. Man sollte glauben, das Wetter drohe, nicht wahr, Andree?
Ja, Madame, antwortete die junge Frau zerstreut.
Sind Sie nicht dieser Ansicht, mein Herr?
Doch, Madame; aber der König will es.
Der Wille des Königs geschehe in den Wäldern und auf den Straßen, antwortete die Königin mit der ihr natürlichen Heiterkeit, die ihr weder die Bekümmernisse ihres Herzens, noch die politischen Störungen
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