Angeklagt - Dr. Bruckner
Fenster erschien.
»Skalpell!« Der Operateur streckte abermals seine Hand aus, und Schwester Euphrosine reichte ihm das chirurgische Messer. Dr. Bruckner setzte es auf den Leib, drückte es auf die Haut und zog die Schärfe über den Leib weg. Ein roter Strich erschien im Gefolge als Spur, die das Messer hinterließ. Eine Blutfontäne sprang hoch, als Dr. Bruckner den Schnitt vertiefte.
Barbara Pellenz griff nach einer Klemme und ließ ihre Schnauze in die durchtrennte Ader beißen. Die Blutung stand. Sie hielt die Enden der Klemme hoch. Dr. Bruckner nahm aus Schwester Euphrosines Hand einen Faden entgegen und legte einen Knoten.
Dr. Heidmann war in den Operationssaal gekommen. Er schlüpfte in einen sterilen Kittel, zog Gummihandschuhe über und stellte sich neben Dr. Bruckner. Er griff nach einer Schere und schnitt die Enden des Fadens ab, die Dr. Bruckner geknotet hatte.
»Jetzt bin ich gespannt, wie es drinnen aussieht!« Dr. Bruckner legte an die Wundlefzen je zwei Tücher, so daß die Haut vollkommen abgedeckt war, und befestigte sie mit scharfen Klammern.
Die Tür wurde aufgestoßen. Oberarzt Dr. Wagner betrat den Operationssaal. Schwester Euphrosine sah ihn. Gebieterisch hob sie die Hand. »Halt – keinen Schritt weiter! Sie sind unsteril«, herrschte sie ihn an.
Wagner zögerte einen Augenblick. Es sah aus, als ob er dem Gebot der Operationsschwester nicht folgen wollte. Aber dann blieb er doch stehen und trat einen Schritt zurück. »Ich wollte Dr. Bruckner nur Bescheid sagen, daß sein Name heute die Morgenausgabe der ›Großen Glocke‹ ziert!«
Dr. Bruckner schaute hoch. Er hielt das Skalpell in der Hand. Der Mundschutz, der den größten Teil seines Gesichtes verdeckte und nur die Augen frei ließ, ließ nicht erkennen, welche Gefühle ihn bewegten. Es dauerte eine Weile, bis er sprach.
»Und was steht darin?« Seine Stimme klang beängstigend ruhig, stellte Dr. Heidmann fest, der ärgerlich Oberarzt Wagner anschaute.
»Daß Sie ein Mörder sind!« Dr. Wagner betrachtete erschrocken die Menschen im OP, die ihn alle feindselig anschauten Unwillkürlich trat er einen Schritt zurück.
»Hätte das nicht Zeit bis nach der Operation gehabt?« ertönte Dr. Phistos Stimme. Er hatte sich erhoben. Kopfschüttelnd schaute er Dr. Wagner an, der noch einen Schritt zurück wich, als wollte er sich vor den Angriffen der Menschen, die dort standen, in Sicherheit bringen.
»Professor Bergmann hat mich gebeten, Ihnen das mitzuteilen.« Wagners Stimme klang plötzlich leise und unsicher. »Er wünscht, Sie möchten das bitte richtigstellen. Es fällt ja auf die Klinik zurück, wenn so etwas behauptet wird. Wir glauben alle natürlich nicht daran, aber Sie werden verstehen, daß der Ruf unserer Klinik auf dem Spiel steht, wenn nicht schnellstens etwas unternommen wird.«
Man hatte das Gefühl, daß der Oberarzt redete, nur um etwas zu sagen, nur um nicht wieder diese Stille aufkommen zu lassen, die eben einen kurzen Augenblick geherrscht hatte.
Die Blicke der Ärzte wandten sich Dr. Bruckner zu. Der stand schweigend da und hatte seine Haltung nicht verändert.
»Ich danke Ihnen für diese Mitteilung!« Dr. Bruckners ruhige Stimme beendete das Schweigen. »Bitte –«, er drückte Barbara Pellenz einen Stieltupfer in die Hand, »tupfen Sie. Sie sehen doch, daß es da blutet!«
»Herr Oberarzt Dr. Wagner …« Siegfried Buhmann war hinter Dr. Wagner hergelaufen. Er erwischte ihn, als er gerade den Fahrstuhl besteigen wollte. »Das ist ja schrecklich mit dem Artikel! Haben Sie die Zeitung da?«
Oberarzt Wagner nahm die Hand, die den Druckknopf des Fahrstuhls betätigen wollte, wieder zurück. Er schüttelte den Kopf. »Nein, die Zeitung ist beim Chef. Aber wenn es Sie interessiert, so können Sie sich heute morgen die Gazette am Kiosk kaufen. Es ist die Morgenausgabe der ›Großen Glocke‹ …«
»Ich verstehe nicht, wie man so etwas schreiben kann!« Der Pfleger Buhmann hatte seine Hände gefaltet und schaute Oberarzt Wagner von unten her mit gesenktem Kopf an. »Dabei ist doch hier alles richtig zugegangen. Ich glaube nicht, daß Dr. Bruckner einen Fehler gemacht hat. Ich war ja bei allen Operationen dabei. Zwar verstehe ich nicht viel von solchen Dingen, aber man merkt es ja an den Reaktionen der anderen, ob einer etwas falsch macht.«
»Kollege Bruckner ist ein guter Chirurg, aber –«, Oberarzt Wagner beförderte seine Brille mit der typischen Handbewegung auf die Nase zurück, »der Ruf
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