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Angeklagt - Dr. Bruckner

Titel: Angeklagt - Dr. Bruckner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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angeordnet worden? Davon ist mir nichts bekannt. Was für eine Spritze soll es denn sein?«
    »Eine große Spritze. Sie hatten sie doch vorhin in der Hand, als Sie hereinkamen, und –«, er zögerte einen Augenblick, »Sie versuchten, sie zu verstecken!«
    Es war interessant, das Farbenspiel auf dem Gesicht des Pflegers zu beobachten. Es wechselte zwischen Rot und Weiß. Es dauerte eine Weile, bis er sich gefaßt hatte. »Die Spritze? Ach –«, er schlug sich gegen die Stirn, »Sie meinten wohl, ich wolle sie entwenden? Das ist durchaus nicht der Fall. Es war die große Ohrenspritze. Der Patient klagte über eine plötzlich eingetretene Schwerhörigkeit auf einem Ohr. Da wollte ich es ausspritzen. Das macht man doch, wenn man einen Ohrenschmalzpfropfen hat, nicht wahr?«
    »Schon; aber nicht ohne ärztliche Anweisung.«
    »Ich habe in meinem Leben schon viele Ohren ausgespritzt«, versuchte der Pfleger sich zu rechtfertigen. »Und es ist nie etwas passiert.«
    Der Oberarzt entgegnete streng: »Weil Sie Glück gehabt haben! Stellen Sie sich vor, der Mann hätte ein Loch im Trommelfell. Das kommt nicht einmal selten vor. Er braucht nur irgend wann einmal eine schlecht ausgeheilte Mittelohrentzündung gehabt zu haben. Dann dringt Wasser in das Innenohr ein, und es kommt nicht nur zu schweren Gleichgewichtsstörungen, es kann auch zu anderen unangenehmen Komplikationen führen. Deswegen bitte ich Sie, in Zukunft solche Manipulationen nicht in eigener Regie vorzunehmen.«
    Siegfried Buhmann stand mit gesenktem Kopf vor dem Oberarzt. Dann schaute er auf. »Ich werde es mir zu Herzen nehmen. Es soll nicht wieder vorkommen. Aber nun«, er schaute auf seine Uhr, »entschuldigen Sie mich. Ich bin schon lange überfällig.«
    »Dann laufen Sie!«
    Dr. Bruckner sah ihm kopfschüttelnd nach und meinte dann: »Ich glaube, es wird Zeit, daß wir jetzt auch schlafen gehen. Die Nacht ist bald vorbei.«
    »Sie haben recht. Ich bin auch sehr müde.« Heidmann ging zur Tür und öffnete sie, ließ Dr. Bruckner auf den Flur hinaustreten und folgte ihm. »So recht leuchtet mir die Geschichte mit dem Ohrenausspülen nicht ein. Ich verstehe nicht, warum er es gerade mitten in der Nacht durchführen wollte. So etwas macht man doch besser bei Tage! Vor allem kann ein solcher Eingriff ruhig bis morgen warten. An einem verstopften Gehörgang ist noch niemand gestorben.«
    »Vielleicht hat er sich nur alles für morgen bereitlegen wollen«, versuchte Dr. Bruckner eine Erklärung. »Buhmann gehört doch nun mal zu jener Sorte übereifriger Menschen, die möglichst alles, was morgen zu tun ist, am liebsten schon gestern erledigt haben möchten.«

9
    Dr. Thomas Bruckner stand neben dem Rektor in der Aula der Universität. Der Rektor hatte seine große Amtskette umgehängt. Er trug Talar und Barett. Väterlich legte er seine Hand auf Dr. Bruckners Schulter, mit der anderen Hand machte er eine umfassende Bewegung über die versammelten Professoren.
    »Wir sind gekommen, um uns für die Verleumdungen, die man gegen Sie ausgestreut hat, zu entschuldigen. Die Zeitungen nehmen alles zurück, was sie gegen Sie geschrieben haben.« Er deutete an die Wand, an der verschiedene Zeitungen in großen Rahmen ausgehängt waren. »Man hat versucht, Ihnen übel mitzuspielen. Wir sind alle fast das Opfer der Kampagne gegen Sie geworden. Heute jedoch ernennen wir Sie zum Honorarprofessor …«
    Ein Geläute setzte ein. Es hörte sich an, als ob sämtliche Kirchenglocken der Stadt gleichzeitig zu läuten begännen. Der Lärm wurde unerträglich, tat den Ohren weh …
    Bruckner richtete sich erschrocken auf und schaute um sich. Er befand sich nicht in der Aula, er hatte in seinem Bett gelegen. Das Telefon schellte ununterbrochen.
    Er griff nach dem Hörer, hielt ihn zunächst verkehrt an das Ohr, drehte ihn um und meldete sich: »Bruckner!«
    »Es tut mir leid, Sie wecken zu müssen. Können Sie sofort auf Station kommen? Ihrem Patienten geht es schlecht …«
    »Ich komme!« Dr. Bruckner knallte den Hörer auf die Gabel knipste die Nachttischlampe an, schüttelte den Traum absprang aus dem Bett und ließ sich in dem kleinen Badezimmer kaltes Wasser über das Gesicht laufen. Er schaute auf die Uhr. Man hatte ihn aus dem ersten tiefen Schlaf geholt.
    Als er in seine Kleidung schlüpfte, fuhr es ihm durch den Kopf, daß er von der Höhe plötzlich wieder in eine unendliche Tiefe herabgerissen wurde. Eben noch glaubte er sich nicht nur rehabilitiert, man hatte ihn

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