Angeklagt - Dr. Bruckner
Männer an der Pforte stehen, die, als sie näher trat, in der Klinik verschwanden. Sie konnte nicht erkennen, wer die beiden waren.
Sie verlangsamte ihre Schritte, blieb einen Augenblick vor dem Klinikeingang stehen und ging dann rasch am Nachtpförtner vorbei, der aus seiner Loge herauskam und sie freundlich grüßte, als er sie erkannte. »Schon zurück, Fräulein Doktor?«
Barbara wußte nicht, ob der alte Mann es ironisch meinte oder ob es nur eine Art von gewohnheitsmäßigem Grüßen war. Sie nickte ihm zu und betrat die Chirurgische Klinik.
Die Eingangshalle war leer. Ein dämmeriges Nachtlicht erleuchtete sie. Die Tür zum Aufnahmeraum war halb geöffnet. Ein heller Lichtstrahl fiel heraus und malte auf dem Fußboden ein gelbes Viereck.
Barbara ging zum Fahrstuhl, öffnete die Tür und betrat den Korb. Sie drückte auf den Knopf, der sie in die dritte Etage brachte. Kopfschüttelnd betrachtete sie die Kritzeleien, die irgendwelche Leute in die Türen eingekratzt hatten. Es war ihr immer unbegreiflich, wie intelligente Menschen aus reiner Zerstörungswut alle möglichen Kritzeleien gerade in Fahrstühlen anbringen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Der Fahrstuhl hielt. Barbara stieg aus. Sie ging auf das Dienstzimmer zu, um sich einen weißen Kittel überzuziehen.
Sie öffnete die Tür und erschrak, als sie sich Dr. Bruckner und Dr. Heidmann gegenübersah. Das mußten die beiden gewesen sein, die sie an der Pforte gesehen hatte. Sie waren wohl auch eben zurückgekommen.
»Sie waren aus?« Dr. Heidmann reichte ihr die Hand.
»Sie haben mich doch unten gesehen«, ging Barbara sofort zum Gegenangriff über.
»Ja –«, erklärte Heidmann mit einem Blick auf Dr. Bruckner, der hinter den Schreibtisch getreten war und nach seiner Pfeife griff, die sich im Schubfach befand. »Wir haben auf Sie gewartet.«
»Sie haben auf mich gewartet?« Barbara Pellenz ging zum Schrank, öffnete die Tür, nahm ihren weißen Mantel heraus und zog ihn über. »Weil ich mich etwas verspätet habe?« Sie schaute auf die Uhr. »Es ist nicht viel – ein paar Minuten.«
»Nicht deswegen!« Thomas Bruckner hatte seine Pfeife in Brand gesetzt. Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und schaute wie hilfesuchend Dr. Heidmann an. »Ich habe eine Bitte.«
»Ja? Worum geht es?« Barbara knüpfte ihren Mantel zu, trat vor das Waschbecken, schaute in den Spiegel und fuhr sich mit einem Kamm, den sie aus dem Kittel holte, durch die Haare. Im Spiegel beobachtete sie Dr. Bruckner, der hinter sie getreten war.
»Es geht um den letzten Todesfall …«
Die Studentin fuhr herum. »Um den letzten Todesfall? Ist etwa –«, ihre Blicke gingen zur Tür hin, »der Patient, den Sie operiert haben, auch gestorben?«
»Nein, es geht um Frau Schnell.«
»Und was soll ich Ihnen da für eine Auskunft geben?« Barbaras Stimme klang ablehnend. Ihre Blicke wanderten zwischen den Ärzten hin und her. »Was habe ich damit zu schaffen?«
»Nicht Sie!« Bruckner schaute einer Rauchwolke nach, die langsam zur Decke stieg. »Ich wollte Sie bitten, doch auf Herrn Schnell einzuwirken, daß er sein Sektionsverbot zurückzieht …«
Barbara Pellenz hob protestierend ihre Hand. »Das wird er nie tun! Ich habe eben erst versucht, das Thema ›Mutter‹ noch einmal mit ihm zu besprechen, aber er hat es konsequent abgelehnt. Ich kann da leider nichts ausrichten. Und ich möchte es nicht noch einmal versuchen, es belastet ihn zu sehr. Sie müssen verstehen, daß ich mich da nicht einmischen möchte.«
»Aber Sie haben doch selbst handschriftlich den Vermerk auf der Krankengeschichte angebracht, daß die Obduktion verweigert werden soll. Da haben Sie doch wohl auch Ihren Einfluß in der anderen Richtung geltend gemacht!« Heidmann stand jetzt vor Barbara. Er schaute sie kopfschüttelnd an. »Da wäre es doch nur natürlich, wenn Sie jetzt helfen, die Geschichte rückgängig zu machen.«
»Das Obduktionsverbot?« Barbara dachte nach. »Man hat mich gebeten, den Vermerk anzubringen. Die Initiative ging nicht von mir aus.«
»Sie glauben nicht, daß man Herrn Schnell bewegen könnte, die Eintragung rückgängig zu machen? Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, wie sehr die Klinik, wie sehr Dr. Bruckner unter falschen Anschuldigungen zu leiden hat. Eine Obduktion könnte Klarheit bringen.«
»Bitte –«, gequält blickte Barbara Pellenz Dr. Bruckner an. »verschonen Sie mich damit. Vielleicht versuchen Sie es, selbst mit Herrn Schnell zu
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