Angel 01 - Die Engel
es so vor, als würde sie etwas beschäftigen. Etwas, das Sie selbst betrifft. Hat das irgendetwas mit Ihren Erfahrungen mit dem Erzengel zu tun? Ich meine, wenn Sie irgendwelche Ideen dazu haben, sollten Sie uns einweihen. Wir müssen alles wissen.«
Smith lächelte traurig. » Sie sind sehr einfühlsam für einen …« Er unterbrach sich abrupt und Dave vervollständigte den Satz für ihn: » Für einen Cop?«
Der Erzdiakon lachte. » Eigentlich wollte ich sagen › für einen Amerikaner‹, was eine noch größere Beleidigung wäre, nicht wahr? Sie müssen mir meine Vorurteile verzeihen; ich versichere Ihnen, sie sitzen nicht sehr tief. Irgendwie habe ich sie mir auf meinen Reisen angeeignet. Jedenfalls hatten Sie Recht, es gab da jemanden, der mir sehr nahestand. Wir haben dreiundzwanzig Jahre lang zusammengelebt. Und jetzt bin ich allein.«
» Hat sie Sie verlassen?«, fragte Dave.
Smith zögerte nur kurz, bevor er antwortete: » Sie hat mich verlassen und ist wenig später gestorben. Krebs. Ich glaube, sie wollte mir den Schmerz ersparen, ihr beim Sterben zusehen zu müssen, also hat sie mir erzählt, sie würde mich nicht mehr lieben und wolle mich verlassen …« Jetzt liefen ihm die Tränen über die Wangen, und als ihm bewusstwurde, wie unangenehm das für seine Gäste sein musste, versuchte er zu lächeln. » Ich sage, sie stand mir sehr nahe, aber das ist eine Untertreibung. Die Briten nutzen das Understatement als Schutzschild, wissen Sie, um kitschige emotionale Reaktionen zu vermeiden. Wir sind nicht sehr emotional – nicht so wie Sie.«
» Nein«, meinte Danny, » das sieht man.«
» Eigentlich«, fuhr Smith fort, der offenbar dringend das Thema wechseln wollte, » habe ich sogar Verbindungen nach Amerika. Mein jüngster Bruder ist amerikanischer Staatsbürger geworden, als er eine Frau aus Kalifornien geheiratet hat. Sein Sohn, also mein Neffe, arbeitet hier als Fotograf. Er nennt sich Holden Xavier. Natürlich ist das nicht sein richtiger Name, aber Smith sieht im Briefkopf eben nicht so toll aus.
Mein Bruder Samuel hat jeden Kontakt abgebrochen, nachdem er England verlassen hatte. Er fing an, für eine Zeitschrift zu schreiben, und nannte mich einen britischen Kolonialherrn. Mich. Er war doch derjenige, der in die Kolonien gezogen ist, warum bin ich dann der Kolonialherr? Wie dem auch sei, jetzt wissen Sie, woher meine Vorurteile stammen. Es macht mich immer noch etwas wütend … und jetzt wissen Sie auch, was mich bedrückt, und dass es nichts mit dem Erzengel zu tun hat.«
Dave hatte herausgefunden, was er wissen musste, und sich davon überzeugt, dass es keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit haben würde. Ihn hatte die Vorstellung beunruhigt, dass der Erzengel das Unterbewusstsein der Menschen kontrollieren konnte. Denn wenn das so war, wie konnten er und Danny dann wissen, ob sie nicht durch diesen Smith manipuliert wurden? Das Wesen im Zentrum des weißen Lichts konnte hier sein, um die Zerstörung des gefallenen Engels von 1996 zu rächen. Es könnte das Trio in eine bestimmte Lage manövrieren wollen, bevor es sie zerstörte. Luzifer war der Lichtbringer gewesen. Vielleicht war dieser weiße Ball ja auch gar kein Erzengel. Vielleicht war es der größte und mieseste Höllenbewohner von allen, der gekommen war, um den Tod seines Rekruten zu rächen. Sechs Jahre später, in Höllenzeit wahrscheinlich eine Nanosekunde. Dave ware nur seinem Bauchgefühl gefolgt, und das hatte ihm geraten, sich um Smiths Probleme zu sorgen. Jetzt, wo er wusste, worum es sich handelte, war es okay.
Nach ein paar Minuten sagte Smith: » Ich hoffe, mein kleiner Ausbruch war Ihnen nicht zu unangenehm?«
Danny musste lachen. » Scheiße, wir sind aus San Francisco, Mann.«
» Ja«, meinte Smith lächelnd, » ich war einmal da. Eine schöne Stadt, nicht wahr?«
» Schön? Ich hoffe, das war eine ihrer typisch britischen Untertreibungen«, rief Danny. » Es ist verdammt nochmal die beste Stadt der Welt!«
» Oh, das würde ich nicht sagen«, ließ sich Lloyd Smith auf das Spiel ein. » Ich persönlich denke, Florenz hat ein wenig mehr zu bieten als San Francisco.«
» Sie sollten sich den Mund auswaschen«, konterte Danny.
Damit ließen sie das Thema fallen. Dave starrte durch die stark getönten Scheiben des Wagens auf die Lichtkuppel, die immer näher kam, und fragte sich, was darin wohl vorging. Falls darin ein lebendiger Erzengel saß, woran dachte er dann wohl? Und warum hatte er beschlossen,
Weitere Kostenlose Bücher