Angel 01 - Die Engel
und litt dabei große Schmerzen.
» Alles klar, Mann?«, fragte der Taxifahrer, als er diesem mit zitternden Händen das Geld gab.
» Ja … ja, ich glaube schon. Muss was Falsches gegessen haben.«
» Sie sollten sich hinlegen. Sie sehen aus wie der Tod persönlich.«
Er fühlte sich auch wie der Tod. Er fühlte sich, als wäre der Tod auf dem Friedhof in ihn eingedrungen.
» Gott«, flüsterte er, als er die Studiotür aufschloss, » was passiert mit mir?«
Jetzt zerfiel alles: seine Gedanken, seine Erinnerungen, seine Seele. Nach außen hin war er normal. Innerlich löste er sich auf wie ein Stück verkohltes Papier. Kleine Stücke brachen ab und verschwanden, wurden von der fremden Macht in ihm verschluckt.
Die Katze griff ihn an, sobald er durch die Tür trat – mit ausgefahrenen Krallen, gebleckten Zähnen und gesträubtem Fell. Er würgte sie, brach ihr das Rückgrat und schleuderte den Kadaver dann quer durch den Raum, der dann in der Ecke liegen blieb, verdreht und regungslos. Da er sehr tierlieb war, hatte er diese Katze fast wie ein Kind geliebt.
Er schrie, als sein Geist in seinem Inneren zerquetscht wurde, stolperte durch den Raum, zerbrach Stative und warf mit Linsen um sich. Vom ersten Eintritt in seinen Körper bis zur Zerstörung des letzten Stücks seines Selbst dauerte es keine halbe Stunde.
Dann war er wirklich tot und das neue Wesen entspannte sich und sah sich um. Oberflächlich betrachtet sah es genauso aus wie der junge Mann, aber aufmerksame Beobachter würden bemerken, dass seine Gesten, seine Bewegungen und seine Haltung sich verändert hatten. Diejenigen, die den jungen Mann gekannt hatten, würden bemerken, dass sein Lächeln nun ein völlig anderes war.
3
A n Bord des Jumbo 767 – 500, der sich gerade im Landeanflug auf Heathrow befand, saßen zwei Polizisten aus den USA. Dave Peters und Danny Spitz, zwei Ermittler aus San Francisco, waren zur London Metropolitan Police abkommandiert worden. Lieutenant Dave Peters war groß, schlank und kantig im Vergleich zu seinem kleineren, rundlicheren Partner, einem Detective Sergeant.
Im heimischen Umkleideraum in San Francisco kannte man sie als Mutter Teresa und Bruder Tuck, doch sie wurden nie offen so genannt. Dave mochte es nicht, Mutter Teresa genannt zu werden, weil er es als Respektlosigkeit gegenüber dieser fantastischen Frau empfand. Man sagte, er hätte sich diesen Spitznamen verdient, weil er die Moral mit Löffeln gefressen hatte und deshalb schon fast ein Heiliger war – oder zumindest heiliger als der Rest seiner Zeitgenossen.
Danny, pummelig und mit schwindendem Haaransatz, war besonders schlecht auf seinen Spitznamen zu sprechen. Er führte dagegen ins Feld, dass er weder maßlos fraß und trank, noch zölibatär lebte und deshalb nichts mit einem Mönch gemeinsam hätte, besonders nicht mit dem legendären Tuck. Natürlich hatten all diese Argumente dafür gesorgt, dass die Spitznamen an ihnen klebten wie Honig.
» Gott, schau dir das an«, meinte Danny und lehnte sich vor, um aus dem Fenster auf London hinabschauen zu können.
Dave starrte ehrfürchtig auf die weiße Lichtkuppel unter ihnen. Etwas Derartiges hatte er noch nie gesehen, nicht einmal während des Terrorregimes des Engels, als 1996 alle Brandstifter von San Francisco aus ihren Löchern gekrochen waren und die Stadt beinahe in Schutt und Asche gelegt hatten. Und im Zentrum dieser blendenden Halbkugel sollte angeblich ein Erzengel sitzen.
Ein Erzengel! Aufgrund ihrer früheren Erfahrungen in dieser Richtung waren Mutter Teresa und Bruder Tuck von der britischen Regierung angefordert worden, um ihnen bei der Suche nach einer Lösung des Problems zu helfen.
Keiner von ihnen, auch nicht ihre Beraterin in theologischen Fragen, Professor Vanessa Vangellen, Daves Freundin in San Francisco, hatte eine Ahnung, wie man den unwillkommenen, zerstörerischen Besucher aus dem Himmel wieder loswerden konnte. Vanessa, die am meisten über das Thema gelesen hatte, hatte die beiden Männer gebrieft, bevor sie ins Flugzeug gestiegen waren. Sie hatte ihnen gesagt, dass der Erzengel, falls es tatsächlich einer war, sich im heiligsten Gebäude von ganz London niederlassen würde.
» Ach, wirklich?«, hatte Dave erwidert. » Du meinst St. Paul’s Cathedral?«
» Niemals«, widersprach Danny schnell. » Ein Erzengel würde sich niemals in St. Paul’s niederlassen.«
Dave hob eine Augenbraue und schaute zu Vanessa, die auf die unausgesprochene Frage hin nur mit den
Weitere Kostenlose Bücher