Angel 01 - Die Engel
noch immer wie in Trance waren, blieben. Der Prediger begann nun, den Pöbel mit ruhiger Stimme weiter anzupeitschen, indem er sie daran erinnerte, welche Schandtaten die Straßengangs und Diebesbanden ihnen angetan hatten – genau wie die Polizei. Sie holten Benzin aus dem Polizeiwagen und anderen Autos rund um den Park und setzten Dinge in Brand. Sie zogen die geschlagenen Polizisten aus und verbrannten ihre Uniformen. Sie hielten Autos an, zogen die Insassen aus den Wagen und zertrümmerten und verbrannten die leeren Fahrzeuge.
» So sollen die Unrechten bestraft werden«, schrie der junge Prediger. » So sollen unsere Feinde vergehen.«
Die Menge brüllte entzückt.
» Und nun geht«, rief der Sprecher. » Geht und zerrt die Selbstgefälligen aus ihren Häusern, sagt ihnen, dass den Sanftmütigen niemals die Erde gehören wird und dass nur die Starken überleben. Und wenn sie euch sagen, dass sie uns nicht beistehen wollen, dann verbrennt ihre Autos, verbrennt ihre Häuser, lasst sie für ihre Selbstgefälligkeit zahlen …«
So begann der Aufstand, der sich in den Straßen von Richmond und darüber hinaus ausbreitete. Es lag Wahnsinn in der Luft, Blutdurst, der auf jede nur erdenkliche Art gestillt wurde: Mord und Vergewaltigung, alte Rechnungen, die sofort beglichen wurden, Fehden, die wiederbelebt und zu einem schrecklichen Ende gebracht wurden.
Acht Stunden lang regierte das Chaos. Die Straßen von Richmond waren blutbesudelt. Das Böse hatte sich in der Gegend festgesetzt, und nicht einmal bewaffnete Polizeieinheiten und Soldaten konnten es wieder ausrotten.
Auf der Karte wurde ein ungleichmäßiger Ring um Richmond gezogen und das Innere dieses wabernden Kreises zur Gefahrenzone erklärt: Ging eine Frau ohne Schutz auf die Straße, wurde sie garantiert angegriffen, und ein Mann wurde überfallen und verprügelt, oft sogar getötet, wenn er nicht schnell und mit verschlossenen Türen durch die Straßen fuhr.
» Wurdest du geschickt, um uns zurückzuholen?«, fragten die Bodyguards den Prediger.
» Nein, aber es wäre klug von euch, wenn ihr mir assistieren würdet, während ich hier bin«, erwiderte er. » Sobald wir gewonnen haben, wenden wir uns denen zu, die uns im Stich gelassen haben. Es wird euch weniger schlimm ergehen, wenn ich melden kann, dass ihr mir von Nutzen wart.«
Die jungen Männer nickten einander zu. » Sag uns, was wir tun müssen«, baten sie.
So schuf sich der Prediger eine Basis, und sein verderblicher Einfluss breitete sich aus, bis sie im Osten fast bis nach Hounslow und im Westen fast bis Wandsworth reichte. Barnes und Surbiton bildeten die nördliche und südliche Grenze. Innerhalb dieses Gebiets war sein Einfluss unglaublich stark und verdarb nicht nur die ehrlichen, anständigen Bürger sondern auch Polizei, Beamte, Politiker und das gesamte System.
Am helllichten Tag wurde gemordet und vergewaltigt, mitten auf der Straße, mit jubelnden Zuschauern, die die Täter noch anfeuerten. Recht und Gesetz brachen zusammen, die Polizei ließ sich bestechen und bildete eine eigene gesetzlose Gruppe. Öffentliche Unzucht, Trunkenheit, Kidnapping, Auftragsmorde, Prügeleien und jede andere Art von Verbrechen waren an der Tagesordnung. Wilde Ausschreitungen wurden befürwortet: Die Sanftmütigen wurden unter den Stiefeln der Schläger zermalmt.
Aus anderen Stadtteilen wurden saubere Polizisten abgestellt, doch auch die wurden korrumpiert, sobald sie ihren Einsatzort erreichten. Wer sich nicht bestechen ließ, wurde von einem Auto überfahren oder von seinen Vorgesetzten gezwungen, Schändlichkeiten zu begehen; oder man fand ihn einfach tot im Rinnstein. Der Drogenmarkt florierte, Kirchen wurden geschlossen, angezündet oder für abartige Zwecke missbraucht.
Wer nicht Teil der Szene in dem finsteren Ring werden wollte, floh entweder aus dem Gebiet oder wurde gnadenlos eingeschüchtert. Im Herzen von Richmond saß die Verderbtheit, ein Krebsgeschwür, das man unmöglich herausschneiden konnte. Es kam so weit, dass kein Außenstehender mehr sich in das Ghetto wagte, es sei denn, er war selbst böse. Wer nördlich des Flusses oder in den sauberen Gegenden im Süden mit dem Gesetz in Konflikt kam, floh in den Schutz dieser verdorbenen Gegend.
In Richmond war der übliche Kampf gegen das Verbrechen aufgegeben worden, und die Kriminellen konnten tun und lassen, was sie wollten. Der Drogenhandel fand hier ungehindert statt, und überall boten Dealer ganz offen Kokain, Crack und Heroin
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