Angel 01 - Die Engel
Begeisterungsfähigkeit für alles Strahlende und Schöne und alle Lebewesen, groß oder klein.
Also, alle Lebewesen außer dem Frosch.
Als die Froschplage den zweiten Tag anhielt und die Tiere millionenfach vom Fluss aus London eroberten, beschloss Lloyd, dass er sein Versprechen, Holden nicht in seiner Wohnung aufzusuchen, brechen und ihn besuchen würde. Die Nachrichten, die Lloyd auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, waren nie beantwortet worden, und er erreichte Holden weder in seiner Wohnung noch im Studio. Vielleicht war Holden in eine zeitaufwändige, heiße Sache verstrickt – er war ziemlich obsessiv – und konnte sich nicht um äußere Einflüsse kümmern. Wie dem auch sei, Lloyd wollte herausfinden, ob es seinem Neffen gutging.
Unglücklicherweise lebte Holden in Surbiton, und obwohl Lloyd wusste, dass das heutzutage eine gefährliche Gegend war, war er bereit, das Risiko einzugehen.
Die Frösche waren überall: auf den Gehwegen, in den Straßen und Gassen, in Häusern, in den U-Bahnhöfen und Zügen, in Betten, Anzugtaschen, Handtaschen, Schränken, Unterwäsche – einfach überall. Es waren ganz gewöhnliche Grasfrösche, Rana temporaria, ungefähr acht Zentimeter lang und in verschiedenen Farben von grau, gelb und braun über orange und rot bis hin zu schwarz – mit Flecken oder marmoriert –, und sehr zum Ärger der thailändischen und französischen Restaurants nicht essbar. Sie verstopften die Abflüsse und Toiletten und verursachten so Überschwemmungen und Wasserschäden. London stank. Sie beschädigten elektronische Geräte und verklemmten mechanische Vorrichtungen, indem sie hineinkrochen. London kam zum Stillstand. Sie gelangten in Speisekammern und Küchenschränke, in Pasteten und Kuchen, und ihre abstoßenden Gesichter zierten jede Oberfläche. London war widerwärtig.
Das wahrscheinlich Ekelerregendste an ihnen war, dass man sie zerquetschte, wo auch immer man hintrat. Lloyd hasste sie. Bei jedem Schritt schauderte er, wenn unter seinen italienischen Lederschuhen bis zu vier Frösche zermatscht wurden, deren Gedärme überallhin spritzten, in seine Hosenaufschläge und seine schottischen Wollsocken. Sie machten die Gehwege gefährlich glatt, wie Eis im Winter, und die Krankenhäuser waren inzwischen voll alter Menschen, die hingefallen und sich die Hüfte gebrochen hatten. Die aufgedunsenen Froschleichen verwesten in der Sonne und erfüllten die Luft mit Fäulnisgasen, von denen Lloyd ganz schlecht wurde. Einer solchen Verschmutzung mussten bald Seuchen folgen.
Mehr und mehr von ihnen hüpften von den Ufern der Themse herauf, als wären in dem schlammigen Wasser unzählige von ihnen verborgen. Sie breiteten sich in Gebäuden und Friedhöfen aus, auf Statuen und Denkmälern. An dem Tag, als Lloyd beschlossen hatte, Holden zu besuchen, begann gerade eine neue Invasion. Die vielen Frösche hatten andere Tiere angelockt, die auf Futtersuche waren, und so wurde London von einer heranrückenden Armee von Schlangen und Ratten, Igeln und Reihern belagert, die zum Fressgelage gekommen waren.
» Widerliche Viecher«, murmelte Lloyd, während er den Bürgersteig entlanglief und aufgedunsene Froschleichen mit leisem Knall explodierten. » Ich habe sie ja schon nicht gemocht, als sie noch in ihren Teichen geblieben sind, aber jetzt auf der Straße schon gar nicht.«
» Sie sollten mal versuchen, in denen zu schlafen«, sagte eine Obdachlose, die ihn gehört hatte. » Sie sind zwar weich, aber auch verdammt ekelhaft.«
» Da haben Sie sicher Recht«, meinte Lloyd und eilte weiter.
» Und sie springen immer rum!«, rief sie ihm hinterher.
Lloyd hatte keinerlei Bedürfnis, stehen zu bleiben und sich in einem Meer aus Fröschen mit einer stinkenden alten Obdachlosen zu unterhalten. Er wollte einfach nur zu Holdens Wohnung in Surbiton. Das Taxi, mit dem er gefahren war, hatte den Geist aufgegeben, als Frösche in den Motor gekrochen waren, und ein anderes Taxi war nicht aufgetaucht, also hatte er zu Fuß weitergehen müssen. Igitt! Er war kurz davor, sich zu übergeben. Er entdeckte eine Gruppe Soldaten, die versuchte, die Straßen freizumachen, aber sie kämpfte auf verlorenem Posten.
Lloyd erreichte das Apartmenthaus, in dem Holden lebte. Er drückte auf die Klingel. Keine Reaktion. Er klingelte noch einmal. Immer noch nichts. Lloyd starrte einen Moment auf die Tür und zog dann seinen Schlüsselbund hervor. Wenn Holden nicht die Schlösser ausgetauscht hatte, wonach es nicht
Weitere Kostenlose Bücher