Angel 01 - Die Engel
Leben in London unerträglich wurde, und so ihren Widerstand schwächen und sie dazu bringen, entmutigt aufzugeben. So oder so würde es einige Todesopfer geben, wenn er die letzte Plage auf sie losließ: den Tod aller Erstgeborenen.
Manovitch hatte keine Nachricht von Satan erhalten, seit er auf der Erde war, aber er spürte, dass sein verdorbener Meister mit der Entwicklung der Dinge zufrieden wäre. Manovitch fühlte, dass die Plagen ein kreativer Zusatz waren, der in der Hölle gut aufgenommen werden würde. Die Passivität des reglosen Erzengels war ebenfalls ermutigend. Er würde nicht eingreifen, bis die Sterblichen endgültig gescheitert wären, und bis dahin war es vielleicht schon zu spät. Die Zerstörung, die durch einen direkten Kampf zwischen Manovitch und dem Erzengel entstehen würde, war es wert, die endgültige Vernichtung zu riskieren – oder zumindest fast, denn ganz so selbstlos war Manovitch dann doch nicht.
Manovitch war zu Macht gelangt, als Satan begonnen hatte, tote Seelen in seinen Truppen auf dem Schlachtfeld von Armageddon einzusetzen. Die Dämonen wurden immer wieder zurückgedrängt, und obwohl die toten Seelen traditionellerweise neutral waren und die Schlacht nur zwischen Engeln und gefallenen Engeln ausgetragen wurde, hatte Satan jegliche Bedenken bezüglich der weiteren Korrumpierung der Seelen toter Sterblicher beiseitegeschoben. Und so war Manovitch einer seiner größten Generäle geworden, gefürchtet von Engeln, verehrt von Dämonen.
Manovitch beobachtete die Szenerie um sich herum.
Nach einem Moment kroch etwas aus seinem Mundwinkel. Es war eine Fliege. Sie summte im Wind davon. Er öffnete ein wenig die Lippen und zwei weitere kamen hervor. Dann riss er die Kiefer auseinander. Drei, vier, ein Dutzend, hundert – schließlich quollen die Fliegen aus seinem Mund und bildeten einen stetigen schwarzen Strom, der so dick war wie der Oberarm eines Mannes. Manovitch breitete triumphierend die Arme aus, als die Fliegen zu Tausenden, Millionen, Milliarden aus ihm herausströmten.
21
D er sieben Jahre alte Tommy Jenkins weckte mitten in der Nacht seine Mutter, indem er sie heftig an der Schulter schüttelte.
» Ich glaube, Gott kommt«, sagte er.
Sandra Jenkins lebte in einer Wohnung im obersten Stockwerk eines Hauses in Bayswater. Sie war eine intelligente dreiunddreißigjährige Frau, die nie eingesehen hatte, warum es nötig sein sollte zu heiraten, und ihr Kind allein großzog. Ein paar Jahre lang hatte sie einen festen Freund gehabt, der, wie sie anführte, ein gutes männliches Rollenvorbild für ihren Sohn abgab, und manche Leute sagten, dass sie in der Erziehung ihres Kindes wesentlich erfolgreicher war als so manches Paar. Ihr Sohn hatte ihre Intelligenz geerbt.
» Was ist los, Schatz?«, murmelte sie schlaftrunken.
» Hör doch!«, beharrte der kleine Tommy. » Ist das nicht Gott?«
Sandra setzte sich im Bett auf. Jetzt war sie wach genug, um das Dröhnen in der Ferne zu hören. Nach der Universität hatte sie zwei Jahre für einige Hilfsorganisationen gearbeitet und war in einem afrikanischen Bürgerkriegsland gewesen. Sie wusste, wie sich eine Bomberstaffel anhörte, und dieses Geräusch klang sehr ähnlich. Ihre Nerven spannten sich an und kribbelten.
Sie sprang aus dem Bett. » Schnell, Tommy, unter den Küchentisch, schnell, schnell.«
Jetzt bekam Tommy auch Angst, da er die Dringlichkeit in ihrer Stimme hörte und sah, welche Wirkung das seltsame Geräusch auf sie hatte.
» Was ist los, Mami? Was ist denn?«
Sandra realisierte, dass sie ihrem Sohn Angst machte, und kämpfte darum, ruhig zu bleiben. Das Geräusch draußen wurde immer lauter, und obwohl nackte Panik in ihr aufstieg, rang sie um Gelassenheit.
» Es ist nichts Schlimmes, Tommy, aber ich denke, wir sollten uns besser unter den Tisch setzen. Das Haus könnte erschüttert werden, und dann fällt Putz von der Decke. Wir wollen schließlich nicht schmutzig werden vom Putz, oder?«
» Nein«, erwiderte Tommy zweifelnd.
Sie gingen in die kleine Küche, hockten sich unter den Tisch und hielten sich an den Händen. Sandra war sich nicht sicher, ob der Tisch das Gewicht der Decke tragen konnte, falls diese einstürzte, aber mehr Schutz hatten sie nicht. In Afrika war sie immer unter die Treppe geflüchtet, wie ihre Eltern im Zweiten Weltkrieg, aber in der Wohnung gab es keine Treppe, unter der man sich verstecken konnte.
Das Geräusch wurde lauter und lauter, bis es gar nicht mehr wie eine
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