Angel 01 - Die Engel

Bomberstaffel klang, dazu war es zu nah und zu hoch im Ton. Was auch immer es war, es näherte sich auf Bodenhöhe. Was konnte das nur sein? Irgendeine Maschine, die in die Stadt eindrang? Viele Maschinen?
    Vorsichtig und mit rasendem Puls krabbelte Sandra unter dem Tisch hervor, ließ aber die Hand ihres Sohnes nicht los. Sie gingen gemeinsam zum Fenster und schauten über das dunkle, frühmorgendliche London. Zuerst war nichts zu sehen, aber als Sandra zum bleichen Mond hochschaute, wurde der plötzlich von einer schwarzen Wolke verdeckt. In der Ferne erloschen in schneller Folge die Straßenlaternen und Gebäudebeleuchtungen. Pure Dunkelheit schien auf die Wohnviertel von Bayswater zuzurasen.
    » Was ist das?«, fragte sie. Ihre Angst hatte sich etwas gelegt, nachdem sie sehen konnte, dass keine Bomber am Himmel schwebten.
    Die Dunkelheit und das Geräusch hielten miteinander Schritt, bis sie schließlich das Gebäude erreichten und verschlangen. Die Fenster auf der Südseite klirrten, als die schwarze Wolke mit der Wucht eines schweren Brechers aufprallte. Das Gebäude wurde bis in die Grundfesten erschüttert. Dann sah sie im Licht ihrer eigenen Fenster, dass die Wolke aus lauter kleinen Punkten bestand, Millionen von ihnen, und nicht – wie sie zuerst gedacht hatte – aus Rauch. Es schien sich um eine Art weiche Hagelkörner zu handeln: nicht hart genug, um das Glas zu sprengen, aber zahlreich genug, um das Gebäude zu erschüttern.
    Das Geräusch draußen war erschreckend.
    » Was ist das, Mami?«, kreischte Tommy, der nun die Fassung verlor.
    » Nichts, wovor du dich fürchten musst«, erwiderte sie und strich ihm über den Kopf. Sie glaubte es selbst nicht.
    Dann drangen die Punkte in die Wohnung ein, zwängten sich durch Luftschächte und winzige Spalten zwischen Fenster und Fensterbrett.
    Als sie durch ihr Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und die Küche summten, erkannte sie, was sie waren.
    Fliegen!
    Wäre sie ein Insektenkundler gewesen, hätte Sandra gesehen, dass der Großteil der Fliegen einer Spezies namens Märzfliege angehörte; aber diese Märzfliegen hatten noch viele Schwadronen anderer Artgenossen, die sie bei ihrer Invasion von London unterstützten.
    Es gab ein paar riesige Schmeißfliegen, aber die summende Vielfalt enthielt auch Kriebelmücken, Bremsen, Dasselfliegen, Bohrfliegen, Raubfliegen, Fensterfliegen, Soldatenfliegen, Pferdefliegen, Stubenfliegen, Fruchtfliegen, Stelzenfliegen, Moskitos, Stechmücken, Schmetterlingsmücken und Schnaken.
    » Oh Gott«, stöhnte sie angewidert.
    Dann ging sie schnell zum Schrank unter der Spüle, um das Insektenspray zu holen, aber irgendetwas sagte ihr, dass dieses Problem zu groß war, um es mit einer Dose Paral zu lösen. Stattdessen griff sie geistesgegenwärtig nach ein paar Putzlumpen, machte sie nass, rannte zurück zum Fenster und stopfte sie in die Luftschlitze und Ritzen, bis keine Fliegen mehr reinkamen. Dann versiegelte sie so auch noch die Wohnungstür, da sie bestimmt auch bald durch den Haupteingang kommen würden.
    Tommy hatte sich mit einer zusammengerollten Zeitung bewaffnet und sich daran gemacht, die eindringende Armee zu zerschlagen.
    » Hol dir auch eine, Mum«, schrie er und schlug gefährlich knapp an einer teuren Vase vorbei an die Wand. Rote Flecken mit schwarzen Punkten in der Mitte zierten bald die weiße Küchenwand.
    Sandra bewaffnete sich mit einem nassen Spültuch und folgte Tommy durch den Raum, wobei sie abwechselnd Flecken von der Wand wischte und mit ihrem Lappen zuschlug, der sich als effektive Waffe entpuppte. Sie wollte das Insektenspray jetzt nicht mehr benutzen, da die Gase bald die Luft in der Wohnung verpestet hätten, nachdem nun kein Luftaustausch mehr stattfand.
    Gemeinsam schafften es die beiden tapferen Goliaths, die Horden von Davids aufzuhalten, die sie zu überwältigen drohten. Andere in der Stadt hatten nicht so viel Glück. Andere Frauen und Männer hatten keinen wachsamen Tommy, der sie weckte und vor der Invasion warnte. Sie erwischte es im Bett, sie schluckten Fliegen und wurden von schwarzen Insekten erstickt, die in ihre Ohren, Nasen und Münder krochen. Einige der Fliegenarten fügten ihren Opfern widerliche Bisswunden zu, während andere einfach nur lästig waren, aber alle tauchten milliardenfach auf, ließen überall ihre kleinen schwarzen Hinterlassenschaften fallen und verschmutzten so jedes offen zugängliche Geschirr. Sie fraßen sich durch alle Lebensmittel, die nicht abgedeckt und