Angel 01 - Die Engel
der Polizei und wolle mal raus.« Das überraschte Dave, und er fragte gereizt: » Hawaii? Warum sollte er nach Hawaii wollen?«
Gates zuckte mit den Schultern. » Keine Ahnung, aber so wie er ausgesehen hat, hätte es auch Mexiko oder Alaska sein können. Ich kenne diesen Blick. Er will sich für eine Weile verstecken. Ich glaube, er ist wütend und verletzt.«
Dave zog eine Grimasse. » Tja, wenn er schmollen will, soll er doch. Ich denke, ich hatte gar keine andere Wahl, als ihn zurückzuschicken.«
Gates lächelte. » Falls meine Meinung irgendwie zählt: Ich finde, Sie haben das Richtige getan, das einzig Richtige in dieser Situation. Wenn die Gefühle eines Polizisten seine Arbeit beeinflussen, muss man ihn aus dem Verkehr ziehen, bis er wieder zur Vernunft kommt. Ich habe noch nie viel davon gehalten, wenn man Privatleben und Dienst miteinander mischt.«
» Vielen Dank, Stan, genau meine Meinung.« Aber noch während er es aussprach, wurde Dave von Schuldgefühlen gepackt. Er kam sich vor wie ein Heuchler, da er genau wusste, dass er 1996, während er den Engel gejagt hatte, sich gleichzeitig in Vanessa verliebt hatte. Das war etwas anderes, sagte er sich. Das war reiner Zufall, und ich wusste nicht, was mit mir passiert, bis es schon geschehen war. Mit einer gewissen Befriedigung und Gewissenserleichterung fügte er gedanklich noch hinzu, dass Vanessa als Theologieprofessorin unverzichtbar gewesen war, als es um die Lösung des Engelsproblems ging.
Hätte er sich die Zeit genommen, eine ehrliche Analyse durchzuführen, wäre ihm klargeworden, dass die zwei Fälle fast exakt übereinstimmten. Danny war ebenfalls in seine Affäre reingerutscht, ohne vorher etwas davon zu ahnen, und Petra war als Sprachrohr des Erzengels unverzichtbar für das Projekt.
Nach dem Treffen mit Gates ging Dave auf sein Zimmer. Er setzte sich kurz auf die Bettkante, dann zog er sich aus, duschte und kroch unter die Decke, wobei ihm auffiel, dass die Bettwäsche nicht gewechselt worden war. Die Läuseplage hatte wahrscheinlich alles etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Selbst jetzt spürte er, wie die kleinen Mistviecher sich in ihn verbissen. Er widerstand dem Drang, sich zu kratzen, zerdrückte aber ein paar zwischen den Fingernägeln, was ihm eine enorme Befriedigung verschaffte.
Dave wurde vom Telefon geweckt. Er schaute auf die Digitaluhr des Radioweckers: halb vier Uhr morgens.
» Hallo?«, krächzte er in den Hörer.
» Dave? Hier spricht Lloyd. Könnten Sie so schnell wie möglich in die Jasmine Suite kommen? Es ist … es ist etwas passiert.«
Etwas in Lloyds Stimme ließ bei Dave die Alarmglocken schrillen. Er war sofort wach und griff nach seiner Hose.
Er ging zum Fenster und starrte nach draußen. Die Lichtkuppel war immer noch sichtbar. Der Erzengel war noch da, darüber wollte Lloyd also nicht mit ihm sprechen. Lloyd hatte ihn Dave genannt. Das war das erste Mal, dass er seinen Vornamen benutzt hatte. War das wichtig? Aus dem Mund von Smith, der normalerweise immer so korrekt war und – typisch englisch – die formelle Anrede bevorzugte, klang Dave seltsam, irgendwie unpassend.
Ein Angestellter, irgendein Abteilungsleiter des Hotels, verließ gerade die Suite, als Dave eintrat. » Kaffee«, murmelte er ihm zu. » Habe gerade welchen gemacht, steht auf dem Tisch.«
» Danke«, sagte Dave und fragte sich sofort, ob er ihn brauchen würde.
Was er dann wirklich brauchte, war ein starker Whiskey.
Lloyds Miene war ausdruckslos, und er wanderte im Zimmer auf und ab, als Dave hereinkam. Er zeigte auf ein paar Stühle.
» Setzen Sie sich«, meinte er. » Ich habe schlechte Neuigkeiten.«
Der Erzdiakon war blass, und was er zu sagen hatte, regte ihn offensichtlich ziemlich auf. Dave rutschte das Herz in die Hose. Was zur Hölle war hier los?
» Es tut mir schrecklich leid, Dave …«, wieder der ungewohnte Vorname, » … aber das Flugzeug mit der Flugnummer VA765 ist vor knapp einer Stunde über dem Atlantik abgestürzt.«
Im ersten Moment registrierte Daves Gehirn nicht, was das bedeutete. Stan Gates hatte gesagt, Danny habe den Flug mit der Nummer VA765 genommen. Danny! Danny war in dieser Maschine. Danny war in den Ozean gestürzt!
» Jesus Christus«, stöhnte Dave, und sein Hirn fühlte sich plötzlich taub an.
» Es tut mir schrecklich, schrecklich leid«, sagte Lloyd wieder.
» Keine Überlebenden?«, fragte Dave. » Suchen sie noch?«
» Offenbar gibt es keine Spur von dem Wrack. Sie haben einen
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