Angel 01 - Die Engel
gehen, wo sie ihn haben wollten, denn er wusste, dass Peters dort auf ihn warten würde. Er würde seinen Körper in Stücke reißen.
Der klägliche Rest, der vom ursprünglichen Stan Gates noch übrig war, brachte Manovitch über die Dächer zum Battersea-Krematorium. Unterwegs bemerkte Manovitch, dass die Straßen unter ihm wie ausgestorben waren. Hin und wieder sah er einen Mann oder eine Frau, die ihn aus – wie sie glaubten – sicherer Entfernung beobachteten. Über ihm kreisten Hubschrauber, die ihn wahrscheinlich ebenfalls überwachten. Einzelne Autos bewegten sich durch das Gebiet.
Manovitch konnte diese dummen Spielchen nur belächeln, denn schließlich konnte er jederzeit Gates’ Körper töten und von der Erde fliehen. Er müsste sich nur von einem der Dächer stürzen. Offenbar hofften sie, ihn verbrennen zu können, aber dazu mussten sie ihn erst mal fangen. Natürlich konnten sie versuchen, ihn zu zerstören und mit diesen Brandwaffen seine Seele in dem Körper festsetzen, aber Manovitch war sich gar nicht sicher, ob diese Waffen seinen Geist zerstören würden.
Im Tower hatte die Frau auf ihn geschossen. Sie hatte ihn verfehlt, aber die Flammen hatten seinen Arm versengt. Die Schmerzen waren die gewöhnlichen Schmerzen eines Sterblichen gewesen, nichts im Vergleich zu dem, was heiliges Feuer angerichtet hätte: brennende Qualen des Geistes. Manovitch glaubte also, dass er – wenn auch nicht sein Körper – sicher war vor diesen Waffen.
Er blieb im Schutz eines kleinen Schuppens stehen, der auf dem Dach angebracht war, um Fensterputzutensilien verstauen zu können. Der Weg vor ihm schien frei zu sein. Zwischen den Gebäuden, die er benutzte, und dem Krematorium klaffte eine große Lücke. Er flog darüber hinweg wie eine Fledermaus.
Der Helikopter drehte ab und steuerte auf das andere Flussufer zu. Manovitch landete. Als er an der Außenmauer hinunterkletterte wie ein Krebs, stieß die Polizistin, die ihn von unten beobachtete, einen überraschten Schrei aus. Er sprang sie aus einer Höhe von fünfzehn Metern an und benutzte ihren Körper dazu, seinen Aufprall abzufedern. Dabei brach er ihr das Genick. Das Funkgerät, in das sie geschrien hatte, wurde aus ihrer Hand geschleudert und rutschte klappernd durch den Rinnstein.
Manovitch stieß die Leiche von sich und murmelte: » Das sollte sie lehren, besser Abstand zu halten.«
Er rannte die Vordertreppe hoch und warf sich durch ein Fenster, wobei die Scheibe zu Bruch ging und er sich mehrere Schnittwunden zuzog. Als er in der Kapelle des Krematoriums auf den Füßen landete, wurde aus den Schatten auf ihn geschossen. Die Kugel traf die Wand hinter ihm, woraufhin diese sofort Feuer fing. Diesmal verbrannte er sich den Rücken. Rein körperliche Schmerzen. Er hatte Recht gehabt.
Er schnappte sich von einem nahen Tisch eine Bronzeplatte und schleuderte sie an die Stelle, wo er das Mündungsfeuer gesehen hatte. Grunzend stolperte ein Mann aus dem Schatten. Die Platte hatte sich fast bis zur Hälfte in seine rechte Schulter gegraben. Als er ungelenk auf dem Boden aufschlug, löste sich die Platte und fiel scheppernd auf die Altarstufen, wo sie wie eine rotierende Münze kreiselte.
Manovitch wusste, dass in dem Gebäude noch andere darauf warteten, dass er sich zeigte. Er schlich in den Hauptbereich und fragte sich, wo seine Beute stecken könnte. Er war hierhergekommen, um Peters zu finden, und nicht, um diese anderen Sterblichen zu töten. Der Hauptraum hatte eine offene Decke mit Holzbalken. Manovitch kletterte an der Wand hinauf und hockte sich zwischen die Balken, auf denen er sich wie eine Spinne bewegen konnte. Seine Feinde suchten ihn immer noch am Boden, ohne zu ahnen, dass er jetzt über ihnen saß und auf sie herunterschaute.
Nachdem er die zusammenhanglosen Gedanken von Stan Gates untersucht hatte, hatte Manovitch erkannt, dass sie ihn in den Verbrennungsofen des Krematoriums locken wollten. Ein Krematorium diente dazu, Tote zu verbrennen. Warum sonst sollten sie ihn also zu einem Krematorium treiben, wenn nicht, um ihn zu verbrennen? Peters musste irgendwo bei den Öfen sein.
» Asche zu Asche«, murmelte Manovitch.
Schweigend musterte er die Winkel und Spalten des Gebäudes und durchsuchte mit scharfen Augen die Dunkelheit. Dunkelheit war seine Domäne. Er liebte die Dunkelheit. Er konnte Formen in ihr erkennen, sie vor seinem inneren Auge sehen.
Da waren Männer, aber nicht der Mann, den er suchte.
Irgendetwas stimmte hier
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