Angel 01 - Die Engel
bereit war zuzuhören, wenn es ihr half. Ob es ihrer geistigen Gesundheit dienlich war, oder ethisch vertretbar, wusste er nicht. Genauso gut konnte es sein, dass er damit die Brandherde ihrer Probleme noch weiter anfachte, und das machte ihm Sorgen.
Nach einem langen Schweigen sprach sie wieder.
» So habe ich meinen Vater umgebracht.«
» So ist dein Vater ums Leben gekommen. Das ist ein Unterschied.«
» Ich habe das Bett in Brand gesteckt. Ich wusste, dass er sturzbetrunken war.«
» Du warst gerade mal zehn, Herrgott nochmal. Die Tatsache, dass er betrunken war, war seine Schuld, nicht deine, und aufgrund seiner Art, dich zu › bestrafen‹ – dich danach mit einer Zigarette zu verbrennen –, hat sich dein Verstand wahrscheinlich automatisch Richtung Feuer bewegt. Es war nicht deine Schuld. Du warst ein Kind. Eltern haben die heilige Pflicht, ihre Kinder vor genau solchen Erfahrungen zu schützen, sie dürfen sie nicht herbeiführen. Der Mann war krank.«
» So wie ich jetzt krank bin?«
» Nein. Deine Krankheit ist das Ergebnis dieser schrecklichen Erfahrungen, seine war die Ursache dafür.«
» Die Ursache seiner Krankheit war der Tod seiner Frau.«
» Das war auch nicht deine Schuld, sie war genauso deine Mutter wie seine Frau, und wenn er das Gefühl hatte, mit dem Verlust nicht fertigzuwerden, hätte er sich Hilfe holen sollen, bei einem Arzt. Das hat er nicht getan. Er hat sich tiefer sinken lassen als eine Kanalratte und ist auch wie eine gestorben.«
» Ich glaube, es ging ihm gar nicht um Sex. Ich glaube, es war etwas anderes – Trost, ein Ersatz für meine Mutter, ich weiß es nicht. Er war mein Vater, und ich habe ihn geliebt.«
» Das war das Problem, denn das hat er ausgenutzt. Wenn du mich fragst, hat er bekommen, was er verdient hat. Ich bezweifle, dass du es jemals so sehen wirst, aber mich schüttelt es, wenn ich an ihn denke. Ich werde ihn nicht als böse bezeichnen, weil du sagst, er sei nicht er selbst gewesen, aber er war definitiv ein krankes Arschloch.«
» Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen deiner und meiner Sichtweise«, stellte sie leise fest.
In dieser Nacht schliefen sie nicht miteinander, sondern setzten sich hin und redeten, vor allem über Feuer. Sie fragte Dave, warum er sie angerufen habe, da sie sich eigentlich sicher gewesen sei, dass er es nicht vorgehabt hatte, auch wenn er gesagt hatte, er würde es vielleicht tun.
» Das stimmt«, gab er ehrlich zu. » Das habe ich sogar zu Danny gesagt.« Er kratzte sich am Kopf. » Ich weiß es nicht. Ich habe jemanden zum Reden gebraucht, jemanden, der nicht Danny ist, und da musste ich immer wieder an dich denken.«
» Das nennt man Einsamkeit«, sagte sie, anscheinend überhaupt nicht wütend über seine sachliche Feststellung, dass er sie benutzte.
» Wahrscheinlich. Und ich mag dich.«
» Das musst du nicht sagen.«
» Weiß ich, aber ich tue es trotzdem. Ich finde dich anziehend, als Frau, was ich verblüffend finde, weil du eigentlich gar nicht mein Typ bist.«
» Du siehst das mit der Typfrage viel zu eng.«
» Vielleicht. Jedenfalls sind wir jetzt hier, und so wie es aussieht, werde ich dich auch nochmal anrufen.«
Sie lächelten sich an, da keiner von ihnen wusste, was er als Nächstes sagen sollte. Dann fiel Dave der Brandstifter ein, den er in dem Wohngebiet gesehen hatte, und er beschrieb ihr den Mann.
» Er sieht verdammt gut aus, das steht fest«, sagte Dave abschließend.
Vanessa fragte: » Und du meinst, er ist für die weißen Feuer verantwortlich?«
» Da war definitiv ein weißer Blitz, bevor der eigentliche Brand im Haus ausgebrochen ist. Er hat mich geblendet. So etwas habe ich noch nie gesehen, nur in diesen Dokumentationen über Atomexplosionen. Eine nukleare Explosion – so war es, nur einige Nummern kleiner natürlich.«
» Du glaubst also, jemand hätte so etwas Ähnliches wie eine Atombombe erfunden, eine Art Mini-Atombombe?«
» Nein, das nicht. Irgendeine Art Brandbombe, die eine weiße Explosion erzeugt. Vielleicht etwas auf Phosphorbasis. Ich muss mal die Forensiker fragen, ob ihnen dazu etwas einfällt. Ich will diesen Kerl kriegen. Unbedingt …«
Die Art, wie er das sagte, erschütterte Vanessa bis ins Mark. Dave hatte eine gehörige Portion Killer in sich; sie spürte es, wenn er von solchen Dingen sprach. Das machte ihr Sorgen. Es fühlte sich an, als würde sie mit jemandem schlafen, der jeden Moment explodieren und sie in Stücke reißen konnte, weil
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