Angel Eyes. Im Bann der Dunkelheit (German Edition)
schaue aufs Display. Taylor! Sie ruft von zu Hause aus an.
Ich halte das Handy ans Ohr. «Taylor. Geht’s dir gut?»
«Frannie?»
Als ich die Stimme von Taylors Mutter höre, rutscht mir das Herz in die Hose.
«Ich hatte gehofft, Taylor wäre bei dir.»
«Nein, Mrs. Stevens.»
Eine Pause. «Es ist schon spät. Sie kommt in letzter Zeit sehr oft sehr spät nach Hause. Hat sie dir gesagt, was sie vorhat?»
Ich kann das nicht. Ich kämpfe gegen die Tränen an und habe Mühe, ruhig zu sprechen. «Nein.»
«Also, wenn du was von ihr hörst, dann sag ihr doch, sie soll heimkommen, ja?»
«Selbstverständlich.»
Ich starre auf das Handy in meiner Hand. Taylor ist irgendwo da draußen, und ich kann ihr nicht helfen.
Oder doch?
«Lass Taylor in Ruhe. Du willst sie nicht», sage ich laut und wiederhole es im Geist immer wieder wie ein Mantra. Dann löse ich das Handtuch von meinem nassen Haar, werfe es auf den Schreibtischstuhl und lösche das Licht.
Und dann denke ich an Luc, und mein Magen krampft sich zusammen. Im Dunkeln vorsichtig Abstand zum Fenster haltend, schaue ich in die Einfahrt hinunter. Als ich Luc nicht sehe, ziehe ich den Bademantel so eng um mich, dass meine Rippen pochen, und trete näher ans Fenster. Erst als ich das Gesicht ans Fliegengitter drücke, bemerke ich die rot glühenden Augen, die mich direkt vor dem Fenster, von den Ästen der Eiche aus, anstarren.
Ich schreie auf und taumele vom Fenster zurück, da springt Luc durchs Fliegengitter, reißt es in Fetzen und erstickt meinen Schrei. Seine Lippen pressen sich heiß auf meinen Mund, und mein Schrei wird zu einem Stöhnen, als er mich an seinen lodernden Körper zieht. Er missversteht mein Stöhnen als Schmerzenslaut und lässt mich los.
Seine Miene verrät Qualen, und sein Blick ist voller Zweifel. «Frannie …»
Den Rest will ich gar nicht hören, denn ich habe keine Lust, darüber nachzudenken. Er ist hier, und ich liebe ihn. Das ist alles, was zählt. Ich lasse den Bademantel los und lege ihm den Zeigefinger behutsam auf die Lippen. Ich will mich ganz auf das Hier und Jetzt – auf Luc – konzentrieren und alles andere vergessen. Ich ziehe ihn wieder an mich, bringe ihn mit einem Kuss zum Schweigen und schmiege mich mit jedem Takt der Musik fester an Luc.
Er erwidert meinen Kuss. Heftig. Leidenschaftlich. Verzweifelt. Seine Lippen ziehen eine brennende Spur über meine Schulter, meinen Hals, zu meinem Ohr. «Es tut mir unendlich leid», flüstert er.
Die Verzweiflung in seiner Stimme rührt mein Herz. Ich drücke das Gesicht an sein Hemd. «Es war nicht deine Schuld. Das weiß ich jetzt.»
Er küsst eine Träne von meinen Wimpern. Ich suche mit meinen Lippen die seinen und schiebe ihn zum Bett. Doch als meine Hände unter sein T-Shirt wandern, keuche ich erschrocken auf. Seine Haut ist nicht mehr makellos. Weit gefehlt. Ich hebe sein Hemd und starre mit offenem Mund auf die tiefen roten Schnitte und Striemen auf Brust, Rücken und Schultern. Ich schaudere, denn mein Traum fällt mir wieder ein – die Folter.
«Was ist passiert?», wispere ich und fürchte mich vor der Antwort.
Ein trauriges Lächeln spielt um seinen Mund. «Das ist nichts. Das verheilt in ein paar Tagen.» Er zeigt auf seine Wange, und da fällt mir auf, dass die schartige rote Narbe, die Beherit ihm als Souvenir verpasst hat, fort ist. «Nichts. Im Gegensatz zu dem hier.» Seine Hand fährt zögernd über meine Rippen, wo mein Bademantel aufgesprungen ist. Ich will Luc enger an mich ziehen, aber seine Hand liebkost elektrisierend zart meine Wunden und lindert den Schmerz.
Mein Körper reagiert darauf: ein warmes Glühen, das tief unten in meinem Bauch anfängt und sich ausbreitet, bis ich in Flammen stehe. Ich schmiege mich an Luc, lasse den Bademantel zu Boden gleiten und streife Luc das Hemd über den Kopf. Dann ziehe ich ihn aufs Bett, unter die Laken – wo er meinen Schmerz stillen soll.
Als er mich in die Arme nimmt, muss ich unwillkürlich daran denken, wessen Arme mich im letzten Monat jede Nacht in diesem Bett gehalten haben. Mein Herz schmerzt bei dem Gedanken an Gabe, meinen Engel.
Lucs Küsse werden leidenschaftlicher, und ich verliere mich in ihm. Ich will ihn ganz nah am Herzen. Ich will von seiner Seele durchdrungen werden. Ich lasse meinen Geist sprechen – sage ihm ohne Worte, was ich brauche. Und ich spüre, wie seine Seele durch meinen geöffneten Mund in mich hineinfließt und mich durchflutet. Ich ertrinke in ihm. Gänsehaut
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