Angel Eyes. Im Bann der Dunkelheit (German Edition)
«Ich habe Pizza geholt, auch wenn ich es mir eigentlich nicht leisten kann. Aber ich hatte Bock auf Salami. Lust auf die Hälfte?»
«Klingt gut.» Ich halte ihr die Tür zum Treppenhaus auf.
Sie huscht unter meinem Arm hindurch. Auf der Treppe meint sie verlegen: «Können wir zu dir gehen? Bei mir herrscht Chaos.»
«Klar.» Ich nehme ihr die Schachtel ab und öffne meine Wohnungstür. Die Pizza stelle ich auf den Küchentisch, bevor ich zwei Teller aus dem Schrank hole. «Was möchtest du trinken?»
«Dasselbe wie du.»
Ich hole zwei Flaschen Wasser und setze mich.
«Was schulde ich dir für die Pizza?», frage ich, drehe den Verschluss einer Wasserflasche ab und reiche sie ihr.
Sie nimmt ein Stück Pizza aus der Schachtel und trennt den Käsefaden mit den Fingern. «Zehn. Ich dachte erst, wenn ich eine größere nehme, wird was übrig bleiben. Aber dann dachte ich, vielleicht hast du ja noch nichts gegessen und möchtest was ab.»
Unsere Blicke begegnen sich, und etwas Urtümliches durchzuckt mich bis ins Mark. Mit einiger Mühe wende ich mich ab und nehme mir ein Stück Pizza. «Danke.»
Wir essen schweigend, und ich versuche, mich ganz darauf zu konzentrieren. Doch obwohl ich mir Mühe gebe, wandert mein Blick immer wieder zu Lili. Was habe ich in ihren Augen gesehen? Schließlich schüttele ich den Kopf. Da war nichts. Das war nur meine ausufernde Phantasie. Rhenanian macht mich nervös, das ist alles.
Ich wappne mich und schaue sie wieder an. «Und, Glück gehabt bei der Jobsuche?»
Sie zuckt die Achseln. «Ich arbeite dran. Am Schwarzen Brett im Gemeindezentrum wurden ein paar Sommerjobs angeboten, aber ich bin ein bisschen spät dran. Die meisten sind schon weg.»
«Irgendwas ergibt sich bestimmt. Ich halte die Ohren offen.» Allmählich entspannen sich meine verkrampften Muskeln. Ich hab mir das Ganze nur eingebildet. Sie ist eine ganz normale junge Frau – bis auf ihre unheimlich grünen Augen.
«Du arbeitest also in der Bibliothek. Und Frannie? Hat sie auch einen Job?»
Ich schnippe den Deckel des Pizzakartons hoch. «Frannie arbeitet den Sommer über bei Ricco’s.»
Sie grinst. «Du lässt deine Freundin in dem schäbigen Laden arbeiten?»
Ich lache laut auf und kippele mit meinem Stuhl. «Da kennst du Frannie aber schlecht. Ich lasse sie gar nichts. Sie ist der Boss.»
«Ehrlich? Mir kommst du sehr entschlussfreudig vor.» Um ihre Lippen spielt fast so etwas wie ein Lächeln.
Ich halte mich am Tisch fest, damit mein Stuhl nicht nach hinten kippt. Denn wenn sie lächelt, durchfährt mich etwas … Nur für Sekunden …
Ich stehe auf. «Zehn für die Pizza hast du gesagt, oder?» Meine Hand zittert, als ich sie in die Hosentasche schiebe.
«Ja, danke.»
Ich atme tief durch und drehe mich langsam zu ihr um. «Nimm die letzten Stücke mit. Meine Hälfte hab ich schon verputzt.» Ich wage ein Lächeln, aber es fühlt sich an, als stünden mir meine Schuldgefühle überdeutlich ins Gesicht geschrieben.
Sie schließt den Pizzakarton und nimmt ihn vom Tisch. Ich öffne ihr die Tür und gebe ihr den Zehner. An ihrer Wohnungstür dreht sie sich noch mal um. «Bis dann.»
Was zum Teufel ist los mit mir? Ich dachte doch, ich hätte die Sache mit den menschlichen Teenager-Hormonen im Griff.
Ich stehe noch im Flur und starre hinter ihr her, als sie längst in ihrer Wohnung verschwunden ist.
Deshalb bemerke ich Rhenanian auch erst, als er mich von hinten anspricht. «Na, na, Lucifer, so viele hübsche junge Dinger. Fremdgehen ist eine Sünde, falls du das vergessen hast. Und ich überlege die ganze Zeit, wie ich deine Markierung umkehren kann, dabei machst du es mir wirklich leicht.»
Er lehnt an der Wand neben meiner Wohnungstür, und sein Lächeln schimmert wie die Schneide einer Klinge.
Ich atme tief durch, um die letzten Spuren des Nebels in meinem Kopf zu vertreiben. «Du bist nur neidisch.»
Er deutet ein Lächeln an und schiebt sich von der Wand. «Allerdings.» Sein Lächeln wird zu einer Grimasse. «Aber im Augenblick habe ich größere Probleme.»
Er packt mich am Kragen und donnert mich an die Wand. «Wer war es?»
Ich bezwinge ihn mit meinem Blick. «Keine Ahnung.»
Seine Augen glühen weiß. Er beugt sich vor, bis seine Nase dicht vor meiner ist. «Lügner.»
«Klar lüge ich. Es liegt mir im Blut.» Ich befreie mich aus seinem Griff und weiche in Richtung meiner Wohnungstür zurück. «Was geht dich das überhaupt an?»
Er durchbohrt mich mit feindseligem Blick.
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