Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
irgendwas Bestimmtes?», frage ich.
«Nein», antwortet sie, wendet ihren Blick aber nicht ab.
Ich versuche, sie zu ignorieren, doch das schaffe ich nicht. «Grace, bitte, wir machen hier unsere Hausaufgaben.»
Grace lehnt sich betont gelassen an den Kühlschrank. «Ich halte euch nicht davon ab.»
«Nein, aber es würde uns leichter fallen, wenn du nicht da wärst.»
«Ich verschwinde ja schon.» Widerwillig stößt Grace sich vom Kühlschrank ab und lässt Luc auf dem ganzen Weg nach draußen nicht aus den Augen.
«Mach dir nichts draus», bitte ich Luc. «Grace ist ein bisschen –»
«– intensiv?» Mit gehobenen Brauen schaut Luc meiner Schwester nach.
«So hätte ich das zwar nicht genannt, aber meinetwegen.»
Als wir mit unseren Hausaufgaben fertig sind, würde ich Luc am liebsten hoch in mein Zimmer bitten, um ihm ein paar Songs vorzuspielen, die ich heruntergeladen habe, aber das ist mir doch zu riskant.
Andererseits, auf einen Versuch kommt es an.
Auf dem Weg über den Flur prüfe ich, ob die Luft rein ist. Kein Familienmitglied in Sicht. «Komm», flüstere ich, ziehe Luc eilig die Treppe hoch, stoße ihn in mein Zimmer und schließe die Tür.
Luc wirkt ein wenig überrumpelt.
«Ich weiß nicht, was ich sagen soll», beginne ich und lasse mich auf mein Bett fallen. «So habe ich meine Eltern noch nie erlebt.»
«Kein Problem», winkt er ab und begutachtet mein Zimmer.
Ich ziehe meine Beine unter mich und lehne mich an die Wand. «Mir war das richtig unheimlich. Als wären sie nicht sie selbst.»
«Vielleicht wurden sie durch Außerirdische ersetzt», er grinst. «Soll vorkommen.»
Sein Blick wandert über die Wände. «Interessante Dekoration.» Er liest ein paar von Rileys und Taylors Kommentaren. Bei dem Bild der Mona Lisa lacht er auf. «Als ob sie das nicht oft genug getan hätte …»
«Was?»
«Ach, nichts.»
Mir fällt ein, was Taylor unter das Bild geschrieben hat, aber was Luc gemeint hat, verstehe ich trotzdem nicht.
Sein Blick fällt auf meine Kommode. Er nimmt das gerahmte Foto und fährt mit einem Finger über das Glas. «Wer ist das?»
«Mein Bruder. Und ich.» Ich schaue aus dem Fenster. Am Himmel ziehen sich dunkle Wolken zusammen.
«Dein Bruder?», fragt er verwundert.
«Er ist tot», entgegne ich knapp.
«Wann ist er gestorben?»
Als ich Luc ansehe, erkenne ich Mitleid in seinen Augen, aber das habe ich nicht verdient. Unbehaglich schaue ich zu Boden. Über meinen Bruder will ich nicht sprechen.
«Vor zehn Jahren.» Hilfesuchend greife ich nach meiner Tasche und ziehe das Politikbuch hervor.
«Das tut mir leid.»
Mit brennenden Augen blättere ich durch die Seiten und schlucke meine Tränen hinunter.
Luc setzt sich auf meinen Schreibtischstuhl. «Möchtest du darüber reden?»
Auf gar keinen Fall. «Nein, lieber nicht.» Mit einem Satz springe ich vom Bett. «Ich habe ein paar coole Songs heruntergeladen», verkünde ich und hoffe, er bemerkt nicht, wie belegt meine Stimme klingt. Hastig verbinde ich meinen iPod mit den Lautsprechern. «Was möchtest du hören?»
«Kommt darauf an, was du hast.»
Nach ein paar tiefen Atemzügen lockert sich der Druck auf meiner Brust. «The Fray, natürlich. Aber auch die neuen Alben von Saving Abel und Three Days Grace.»
«Stell auf Shuffle. Ich liebe Überraschungen.» Dabei lächelt er so vielsagend, dass mein Herz wieder mal ins Schleudern gerät.
Ich drücke auf Play, höre aber kaum etwas von der Musik, denn Luc steht auf und kommt auf mich zu. Ich weiß nicht, was er vorhat, aber in seinem Blick liegt etwas Verführerisches und verlockend Gefährliches. Ein aufreizendes Lächeln umspielt seine Lippen, und plötzlich beginnt es in meinem Bauch zu ziehen, so süß und heiß, wie ich es noch nie erlebt habe. In dem Augenblick fliegt die Tür auf.
Meine Mutter tritt ein und mustert mich vorwurfsvoll.
Scheiße. Mit gesenktem Blick stelle ich die Musik leiser und hoffe, mein glühendes Gesicht ist ihr entgangen.
«Ich möchte mit dir reden, Frannie», sagt sie gepresst. «Draußen auf dem Flur.»
Ich stehe auf, drehe mich zu Luc um und schneide eine Grimasse.
Luc lacht auf, beißt sich auf die Lippe und wandelt sein Lachen zu Husten um.
Ich folge meiner Mutter in den Flur und schließe die Tür hinter mir. «Was ist?»
«Ich dachte, wir hätten uns geeinigt?»
«Worauf?»
«Darauf, dass er nicht in deinem Zimmer ist», flüstert meine Mutter.
«Aber wir können die Tür ja offen lassen.» Bitte, schick ihn
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