ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
Seite des Hauses, wo der Garten an den Garagen endete. Dort gab es einen kleinen mit Goldregen und Passionsblumen überwucherten Pavillon und eine gepflasterte Grillecke. Vor allem Connor und Duncan veranstalteten hier des öfteren ausladende Gelage, wie man ihm erzählt hatte.
Nun aber steuerte Angel auf den Pavillon zu und setzte sich auf eine der schmiedeeisernen, gepolsterten Bänke darunter. Durch die vielen, schweren Ranken der Pflanzen sah es aus, wie eine gemütliche, schattige Höhle, dachte Ira, als er eintrat und neben ihr platz nahm. Dicht an ihrer Seite.
„Du hast es wirklich schön hier“, murmelte sie, während sie es sich in den Kissen bequem machte. Ira verfolgte mit Bewunderung, wie sie ihr pechschwarzes Haar aus dem Nacken strich und die dicken, dunklen Wellen weich über ihre Schultern fielen, jeden Schimmer von Mondlicht einfach verschluckend. Von ganz allein streckte sich seine Hand aus und wickelte sich eine der wundervollen Strähnen um den Finger.
„Wir versuchen nur, uns das Leben hier so angenehm wie möglich zu machen. Das Haus und der Garten sind Oscars Schöpfung. Er hat ein Händchen für Pflanzen. Und für Dekoration“, sagte Ira gedankenverloren. Wie gern hätte er jetzt sein Gesicht in ihrem Haar verborgen. Mit seinen Lippen die kostbare Stelle in ihrem Nacken darunter geküsst.
„Hat er das Haus so ausgestattet, wie es ist?“, durchbrach ihre leise Stimme seine Gedanken. Ira nickte, den Blick immer noch auf eine ihrer Haarsträhnen weilend.
„Ja. Tony hat mir erzählt, dass Oscar sich um all das gekümmert hat, als sie vor einigen Jahren nach Berlin gezogen sind. Auch bereits zu meinen Zeiten hat er stets die Innenausstattung meiner Räumlichkeiten übernommen. Er macht das wirklich gerne.“
Sie seufzte leise. „Wenn ich irgendwo einziehe, kaufe ich meist fertig möblierte Wohnungen. Berufsbedingt ziehe ich ja relativ oft um.“
Nun sah Ira sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Warum eigentlich? Ich meine, nur weil du ein Dämon bist, musst du ja nicht gleich eine solche Arbeit machen.“ Sie lachte leise und sah ihn amüsiert an.
„Du meinst Leute für Geld töten? Tja, ich mache das, weil ich es gut kann. Angenehme Arbeitszeiten. Sehr gute Bezahlung. Manchmal darf ich die Opfer sogar behalten, wenn man sie nicht finden soll.“
Ira lachte laut auf. „Okay. Das ist ein Argument“, kicherte er.
„Viele meiner Art wählen solche Berufe. Die meisten von uns sind aufgrund ihrer tierischen Instinkte und inneren Wildheit wenig gesellschaftsfähig. Kaum einer kann jahrelang ein und demselben Job pünktlich und unauffällig nachgehen. Das ist fast unmöglich. Irgendwann fliegt man immer auf. Weil man einmal im Monat krank ist. Immer zu Vollmond. Weil man einen Kollegen kurz vor Vollmond unangebracht aggressiv angeht. Oder gar aus Versehen umbringt. Es gibt viele Dämonen, die es nicht so gut haben. Die verfolgt und getötet werden für das, was sie sind. Viele von uns können nur im Verborgenen leben. So wie ihr hier ... Unter Euresgleichen. Das schaffen die wenigsten. Klar, auch unter Werwölfen gibt es Rudelbildung. Ich habe selbst mal eine Weile in einem gelebt, aber viele sind halt doch eher Einzelgänger. Ein wenig beneide ich dich ja um dein Leben hier ...“
Nun sah Ira sie erstaunt an. Er hatte ihr gebannt zugehört, liebte den Klang ihrer Stimme, aber ...
„Beneiden?“ Er gab ein verächtliches Schnauben von sich. „An mir gibt es nichts Beneidenswertes. Auch dieses Leben nicht. Oder dieses Haus. Ohne meine Brüder wäre ich nichts. Sie sind alles, was ich habe. Mehr hält mich nicht auf dieser Welt. Und du kannst dir nicht einmal vorstellen, wie es ist, den Teufel zum Vater zu haben.“ Er starrte hinunter auf die dunklen, grauen Steinplatten, auf denen der Wind kleine, helle Blüten vor sich hertrieb.
Das hatte er nicht einfach nur so gesagt. Nein, er meinte es wirklich ernst. Aber das wurde ihm erst klar, als er es ausgesprochen hatte.
„Das tut mir Leid ...“, murmelte sie in die sich ausdehnende Stille hinein. „Schon gut. Nur, weißt du, auch wenn man ein hoher Dämon ist, ist das Leben nicht besser unter Menschen. In meiner Heimat, dem She'Ol , da lässt es sich leben.“ Er lächelte bei der Erinnerung an den Garten seines Vaters. Manchmal vermisste er die roten Apfelbäume.
Angel sah ihn eine Weile schweigend an. Musterte ihn eingehend. Ganz so, als versuche sie sich den Ort vorzustellen, an den sich ihr Bewusstsein nicht mehr
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