ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
an der Wand warf, war es längst nach Mittag. Ich hatte kaum mitbekommen, wie die Zeit vergangen war.
Es war angenehm sich mit Ira zu unterhalten. Er konnte gut erzählen, und nachdem er sein anfängliches Unbehagen überwunden hatte, fiel ihm auch das Reden wieder leichter. Er hielt mitten in einer Geschichte inne, als ich gähnte.
„Bitte entschuldige,“ sagte er eilig, „ich habe gar nicht mitbekommen, wie spät es schon ist.“
Er stand in einer schnellen, fließenden Bewegung von der Couch auf und ging hinüber zum Nachttisch, wo das Telefon stand. „Ich werde Oscar rufen. Er soll ein Zimmer für dich fertigmachen.“
Mit der Hand über dem Hörer hielt er inne und sah zu mir zurück. Er blickte mich mit einer Mischung aus Erschrecken über sich selbst und Unsicherheit an. Was ich unglaublich süß fand. Da war er so ein großer, starker Dämon und benahm sich wie ein verliebter Junge.
„Oder soll er dich lieber nach Hause fahren?“
Ich seufzte, kreuzte die Arme über der Sofalehne und legte den Kopf darauf.
„Weder noch“, sagte ich einfach und lächelte ihn an.
Ira runzelte die Stirn. Er war sich nicht ganz sicher, wie er das jetzt verstehen sollte. Ich half schnell nach.
„Ich würde gern hier bei dir im Zimmer schlafen, wenn es dir recht ist.“
Er sog hörbar die Luft ein und richtete sich langsam wieder auf. Ein Schwall seines herrlichen Geruchs strömte zu mir herüber, verstärkt durch seine Lust.
„Gut ...“, erwiderte er heiser und fuhr sich mit der Hand durch das graue, dichte Haar. Seit ich ihn vor so vielen Wochen zuletzt gesehen hatte, hatte er es schneiden lassen. Nun noch knapp kinnlang schimmerte es in den wundervollsten Schattierungen von Grau und Schwarz.
„Hier. Du kannst in meinem Bett schlafen.“
Mit einem gedankenverlorenen Blick fuhr er herum und ging zum Schrank.
„Ich habe auch irgendwo noch eine Decke. Ich werde dann auf der Couch schlafen.“
Kichernd stand ich auf und streckte mich. Betont langsam, als ich sah, dass er mich beobachtete.
„Wie es dir lieber ist“, schnurrte ich und schlenderte in Richtung Bad. Irgendwie gefiel es mir, wenn er so verlegen war. Dass er nicht immer der Unnahbare war, sondern sich auch gerne mal aus dem Konzept bringen ließ. Er wurde mir von Minute zu Minute sympathischer.
Ich spürte, dass er mir nachsah, als ich die Badezimmertür hinter mir schloss. Als ich allein war, gestattete ich mir einen tiefen Seufzer und ließ mich erst einmal auf dem Wannenrand nieder.
Bei Luzifer , er war so wundervoll! Ich fühlte mich so wohl in seiner Nähe, dass es mich erschreckte. Ich genoss es, bei ihm zu sein. Mehr noch, als ich Claudes Nähe genoss. Ich fühlte mich zu ihm hingezogen. Wenn unsere Blicke sich trafen, schlug mein Herz schneller und mir wurde warm. Von der extremen, körperlichen Erregung, die ich verspürte, sobald er mich berührte, mal ganz zu schweigen. Das war nichts zu dem Echo, welches ich spürte, wenn Claude bei mir war. Das hier war die freiwillige Lust meines Körpers. Zu jemandem, den ich mir selbst ausgesucht hatte.
Naja, eigentlich hatte er sich ja mich ausgesucht. Mir machte nicht einmal die Tatsache etwas aus, dass er mich seine Beute nannte. Nicht nur war ich mir sicher, dass er mir nie ein Haar krümmen würde, sondern vielmehr gefiel es mir sogar sehr, für ihn etwas Begehrenswertes zu sein.
Ich verstand mich selbst nicht mehr. So etwas war noch nie zuvor mit mir geschehen. Bei keinem anderen Mann hatte ich mich je so gefühlt. So leicht, frei und gewollt. Ich genoss es, von ihm begehrt zu werden. Es war mir nicht unangenehm. Im Gegensatz zu Claudes bedingungsloser, erzwungener Hingabe schien mir diese hier wirklich eine Zukunft zu haben.
Als ich nach einer knappen halben Stunde das Bad wieder verließ, fand ich Ira wieder auf dem Sofa sitzend. Er hatte sich dort ein Kissen und eine Wolldecke bereitgelegt. Sein Blick war auf seine Füße geheftet und seine Finger trommelten unruhig auf dem Polster herum. Das große Himmelbett war aufgeschlagen und einladend. Die vielen, weichen Kissen schienen förmlich nach jemandem zu rufen, der sich darauf bettete.
Ich hatte den ersten Fuß noch nicht auf den Teppichboden des Schlafzimmers gesetzt, da sprang Ira auch schon auf und kam mir entgegen. Immer noch blieb er gut einen Meter vor mir stehen und wies nur mit der Hand auf sein Bett. Sein Blick war unruhig und nachdenklich. Er hielt sich zurück. Fürchtete er etwa wirklich, dass er mir wehtun
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