ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
meiner Seite. Aufgeregt und unruhig.
Da!
Ich hatte die Fährte und stieß mich mit einem freudigen Brüllen vom Boden ab. Die Mauer war für uns kein Hindernis. Schnell setzten wir darüber hinweg und landeten lautlos im Buschwerk auf der anderen Seite. Ein paar Hundert Meter trennten uns jetzt noch von unserem Mahl. In der Nähe gab es einen Parkplatz für Reisende und Camper. Dort waren sie, die Menschen, die ich durch die Nachtluft roch. Ich gab Nick ein Zeichen und er sprang in heller Vorfreude in die eine Richtung davon. Ich nahm die andere. Wir würden sie einkreisen. Dicht am Boden und schnell wie ein Schatten schlich ich durchs Gebüsch. Meine Pfoten machten keinen Laut auf der weichen Erde. Kein Zweig knackte unter mir. Ich war lautlos und schnell. Und tödlich. Das perfekte Raubtier. Über mir stand nur noch das Schicksal.
Meine Augen glühten in der Finsternis, als der Parkplatz endlich in Sicht kam. Jeder Sinn und jeder Nerv in meinem Leib war angespannt. Jeder Muskel wusste genau, was er zutun hatte. Fließend und leise. Schnell und ohne Gnade. Der Hunger wütete grausam in mir, aber nicht ein einziger Laut drang über meine Lippen.
Am Rande der kleinen, asphaltierten Fläche kauerte ich mich nieder und beobachtete das Auto, das dort stand. Ein Mann saß allein darin. Er rieb sich das müde Gesicht. Der Motor war noch warm. Ich roch das sich nur langsam abkühlende Blech. Auf der anderen Seite des Parkplatzes sah ich Nick, dessen riesenhafte, schwarze Gestalt vollkommen mit den Schatten der Nacht verschmolzen war. Nur seine bernsteinfarbenen Augen verrieten ihn. Das wenige Licht der immer noch eingeschalteten Scheinwerfer reflektierte sich darin. Ein Geräusch ließ uns beide erstarren. Der Mann hatte seine Tür geöffnet und stieg aus. Er nestelte an seiner Jackentasche herum und hatte schließlich eine Zigarette und ein Feuerzeug in der Hand. Schon füllte beißender Qualm meine Nase. Ich schnaubte leise. Widerlich. Aber es würde ohnehin seine letzte Zigarette sein.
Wieder machte ich Nick ein Zeichen. Eine leise, kaum wahrnehmbare Bewegung in der Dunkelheit, aber er sah sie. Und unser Spiel begann!
Während der Mann murmelnd über den Parkplatz schlenderte und seine Beine und Arme dehnte, schlug Nick einen Bogen um ihn von hinten anzugreifen. Ich wartete. Denn der Mensch würde rennen. Das taten sie immer.
Der Schrei, der über den Parkplatz hallte, erregte jede einzelne Zelle in meinem Leib. Der Mann hatte Nick entdeckt. Das große, schwarze, geifernde Ungeheuer, das dort knurrend vor Hunger auf ihn zu kam. Dicht am Boden. Drohend. Bereit zum Sprung. Endlich rannte er. Um Hilfe schreiend und mit dem herrlichen Wahnsinn purer Angst in den Augen. Er lief blindlings in sein Verderben. Genau in mein offenes Maul. Ein neuer schriller Schrei schallte durch die Nachtluft.
Angelockt vom Blutgeruch und den Geräuschen unseres Mahls, gesellten sich bald die anderen zu uns. Wir teilten unsere Beute, stritten um die besten Stücke.
Das war es, was uns am Leben erhielt. Nicht die Gene. Nicht das Blut. Die Jagd und das Zusammensein waren es, die uns nahezu unsterblich machten. Blut und Fleisch gaben uns Kraft, doch diese grausame, herrliche Brutalität, diese erbarmungslose Gemeinschaft war unser Lebenselixier. Inmitten dieses Blutvergießens, zwischen den Leibern der anderen, fühlte ich mich fast vollkommen.
Eine halbe Stunde später war unser Hunger gestillt. Satt und zufrieden lagen wir um die spärlichen Reste des Mannes herum und genossen das Mondlicht. Entspannt lag ich etwas abseits, lauschte den Geräuschen der andern. Erst ein leises Knurren ließ mich aufblicken. Seth stand vor mir und sah mich aus gelben Augen auffordernd an. Er machte eine Kopfbewegung und ging dann an mir vorbei tiefer in den Wald. Ich schnaubte und stemmte mich in die Höhe. Nick sah uns nach, als ich Seth in die Nacht hinaus folgte.
Wir schlichen eine Weile schweigend nebeneinander durchs Unterholz, scheuchten ein paar Hasen auf und wateten ein Stück durch einen kleinen Bach. Dann, als wir halboffenes Gelände erreichten, begann Seth zu laufen. Seine Pranken gruben sich tief in den Boden und er schnellte lautlos über die Erde, wie der Wind. Ich sah ihm einen Augenblick nach, ehe ich mich abstieß und ihm nachjagte. Meine Tatzen hämmerten auf den Boden und kleine Schmerzenspfeile durchzuckten meine Beine, doch ich nahm sie kaum wahr. Warum Seth mich immer weiter von den anderen fortführte, darüber machte ich
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