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Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Titel: Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Blome
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einigen Jahren links neben dem von Gerhard Schröder im ersten Stock des Kanzleramtes hängen, in der langen Reihe mit Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl. Und Angela Merkel wird in dieser Galerie nur bestehen, wenn sich mit ihrer Amtszeit irgendetwas Bleibendes unumstößlich verbindet: eine politische Leidenschaft, wie bei Brandt oder Kohl. Eine epochale Richtungsentscheidung wie bei Adenauer oder Erhard. Eine lange nachwirkende Reform wie bei Schröder oder eine besonders markante Art zu regieren wie bei Schmidt.
    Wahr ist: Angela Merkel wusste lange nicht, was sie – ob Idee, Leidenschaft oder Reform – in diese Reihe wohl bringen könnte. Das hat sie nicht erkennbar nervös gemacht: Probleme, die noch ein bisschen warten können, tun das grundsätzlich nicht. Inzwischen aber weiß Angela Merkel, was ihre Idee sein könnte. Und jetzt, wo sie sie einmal gepackt hat, wird sie diese Idee nicht mehr loslassen.
    Wohlgemerkt, Angela Merkel hat nach ihrem Eintrag ins Geschichtsbuch nicht aktiv gesucht. Sie ist nicht der Typ Politiker, der an jeder zweiten Straßenecke eine »Epochenwende« vermutet oder eine Jahrzehnte prägende Grundsatzentscheidung samt Mantelhauch der Geschichte. Angela Merkel blickt auf den größeren Teil der (west-)deutschen Nachkriegsgeschichte nach wie vor so nüchtern wie eine außenstehende Beobachterin. Und der wird schnell klar: Das meiste Große ist schon getan. Die Westbindung, Garant der inneren wie äußeren Freiheit, hat Konrad Adenauer fixiert; die Soziale Marktwirtschaft, Wohlstandsversprechen und gesellschaftlicher Zusammenhalt, »gehört« Ludwig Erhard. In Warschau hat Willy Brandt gekniet, die Ostpolitik, Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn, ist unter dem Strich sein Werk. Für die deutsche Einheit schließlich und den Euro steht der Name Helmut Kohl.
    Ganz nüchtern also: Was bleibt? Den Superlativ »erste Frau, erste Ostdeutsche« hat Angela Merkel natürlich sicher. Aber das ist für sie nicht mehr als ein Zufall – der gerade für jemand so Kopfgesteuerten wie sie als »Leistung« nicht zählt. Oder ist die Zeit für große Einträge ins Geschichtsbuch eh’ vorbei? Geht es heute »nur« noch darum, das Land unaufgeregt durch die ja immer hektischeren Krisen zu bringen, es ordentlich für den Wettbewerb mit den aufstrebenden Riesen-Reichen in Fernost aufzustellen, kurzum: so viel wie möglich vom Rang Deutschlands in der Welt in zeitgemäßer Form zu wahren? Man sieht sie förmlich mit den Achseln zucken, ja, so ein Gedanke könnte zu Angela Merkel passen. Typisch bodenständig, handfest, à la »Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen«.
    Mit dem, der diesen Satz einst aus tiefstem Herzen gesagt hat, mit Helmut Schmidt, verbindet sie durch die Jahrzehnte womöglich die größte Kanzler-Ähnlichkeit. Zum Abschied in die Sommerpause 2011 sagte sie tatsächlich: »Ich bewege mich in der Ist-Zeit und löse Probleme und beschäftige mich nicht mit Nachruhm.« Das wiederum könnte genauso der Kanzler Schmidt gesagt haben, irgendwann in den späten 70er, ganz frühen 80er Jahren. Auch ihm wurde damals solides, gleichwohl blasses Regierungshandwerk, aber perfekt spurendes Krisenmanagement zugeschrieben. Und was für Schmidt die Nato-Nachrüstung war, nämlich der Moment zu stehen, das könnte für Merkel die Euro-Rettung werden. Der Moment, des »Koste es, was es wolle.«
    Dabei sind ihr Pathos und große Reden eher fremd. Nur einmal habe ich Angela Merkel auf deutschem Boden, im Bundestag zumal, pathetisch reden hören. Einmal in acht Jahren. Das war am 22. April 2010, als sie eine Rede zu Afghanistan hielt. Sie trat von der Regierungsbank ans Pult und las als erstes sieben Namen vor. Die Namen von sieben Soldaten, die im afghanischen Einsatz Tage zuvor gefallen waren, der größte einzelne Verlust an deutschen Soldatenleben an einem Tag seit 1945. Und dann sagte Angela Merkel, die notorisch Nicht-Pathetische: »Wir können von den Soldaten nicht Tapferkeit verlangen, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir hier beschließen. Wir müssen das Leid beim Namen nennen.« Stille im Saal. Was für einen Moment sie mit Worten erzeugt hatte, muss auch die Kanzlerin gespürt haben. Es passiert ja selten genug.
    Mit Pathos und großen Reden wird sie den Weg ins Geschichtsbuch also erst gar nicht versuchen. Angela Merkel weiß selber: Am Pult im Plenum ist sie zumeist nur Durchschnitt. Bundespräsident Joachim Gauck hat allein in seiner

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