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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cora Stephan
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2005? »Ich möchte Kanzler Schröder ganz persönlich danken, dass er mit der Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür aufgestoßen hat, unsere Sozialsysteme an die neue Zeit anzupassen. « Die Tür ist also auf. Und wie weiter?
    Warum hat Angela Merkel ihre Macht in der Großen Koalition nicht genutzt? Woran scheitern in diesem Land Reformen? An uneinsichtigen Bürgern? An den Mehrheitsverhältnissen, an der Opposition? An der Unfähigkeit der Regierenden, an mangelndem politischem Willen? An starken Lobbys? Oder an »ungenügender Kommunikation« – also: am Marketing?

    Es sind sich doch eigentlich alle über die grundlegenden Fakten einig, und das schon seit Langem: Das Rentensystem beruht auf falschen Voraussetzungen, nämlich auf einer Relation zwischen Erwerbstätigen und Leistungsempfängern, wie sie längst nicht mehr gegeben ist. Von den einen gibt es zu wenige, von den anderen zu viele. Die Rente mit 67 ist also zumindest der berühmte »Schritt in die richtige Richtung«, ein einsamer Entschluss übrigens von Franz Müntefering. 6 Allerdings kommt sie erst schrittweise bis 2029 – und damit viel zu spät.
    Der Sozialstaat, das »soziale Netz«, fängt nicht mehr vor allem Hilfsbedürftige auf, sondern lockt auch diejenigen in die Hängematte, die rechnen können. Warum sollte einer eine geregelte Arbeit (mit Rentenbeiträgen) aufnehmen, die sich im Vergleich zum Leben mit Hartz IV kaum oder gar nicht lohnt?
    Das Steuersystem ähnelt einem undurchdringlichen Drahtverhau aus unzähligen Ausnahmeregeln, mit denen man der »Steuergerechtigkeit« nahekommen will. Gerecht ist da gar nichts, nur kompliziert. Vor allem benachteiligt es mittlere Einkommen und damit jene Mitte, die auf die Reformpolitikerin Merkel (und die FDP) gesetzt hat.
    Doch Angela Merkel hat es, selbst in der Traumkonstellation der »bürgerlichen Koalition«, bis heute nicht geschafft, wenigstens den berüchtigten »Mittelstandsbauch« glatt zu bügeln, eigentlich ein Zacken in der Steuerkurve, der daraus entsteht, dass gerade in den unteren Einkommensgruppen die Progression stark ansteigt.
    Diese sprunghafte Progression betrifft vor allem die
»Normalverdiener«, die das Gefühl haben, dass sich Aufstieg nicht lohnt, weil jeder Erfolg gleich weggesteuert wird. Nach unten hin aber lauert eine weitere Frustration: Wer weniger verdient, zahlt wenig Steuern, rückt aber den Arbeitslosen, die Hartz IV beziehen, ungemütlich nahe. Das »Lohnabstandsgebot«, also der deutliche Unterschied zwischen Hartz-IV-Sätzen und der unteren Verdienstklasse, ist längst verletzt.
    Auch wenn es in diesem Land manch einem an Bildung fehlen mag: Die Grundrechenarten beherrschen die meisten. Wer rechnen kann, erkennt in Hartz IV, ergänzt durch ein bisschen Schwarzarbeit, eine echte Alternative zur Lohnarbeit und darf sich fragen, wofür er sich eigentlich noch anstrengen soll. Um den Rettungsschirm zu finanzieren, den die Kanzlerin aufspannt, damit man es in anderen Ländern mit der Maloche etwas lockerer angehen kann als die Deutschen, die Streber und Musterknaben? (Auf das große Thema Europa komme ich später zu sprechen.)
    Wie sagt Peter Sloterdijk? »Wir leben gegenwärtig ja keineswegs ›im Kapitalismus‹ – wie eine so gedankenlose wie hysterische Rhetorik neuerdings wieder suggeriert –, sondern in einer Ordnung der Dinge, die man cum grano salis als einen massenmedial animierten, steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus auf eigentumswirtschaftlicher Grundlage definieren muss.« 7
    Guido Westerwelle nannte das »spätrömische Dekadenz«. Und meinte, die Steuerzahler müssten sich als »Deppen der Nation« fühlen. 8 Richtig analysiert. Nichts daraus gemacht. Wer seit 2009 händeringend wenigstens auf eine
kleine Korrektur hoffte, sah sich enttäuscht. Die FDP traut sich nicht, den »Deppen der Nation« unter die Arme zu greifen, weil sie nicht wieder als »Steuersenkungspartei« gehandelt werden will. Und Angela Merkel? Scheint das Problem nicht mehr zu interessieren.
    Dabei hatte sie 2005 die richtige Idee. Ein Name musste her, der Programm ist: Paul Kirchhof. Dieser wiederum hatte viele gute Ideen, was eine Steuerreform betrifft. Die gemeinsame gute Idee aber scheiterte grandios – und beispielhaft.
    Angela Merkel und Paul Kirchhof lernten sich Mitte der 90er-Jahre kennen. Damals war sie die jüngste Ministerin in Kohls Kabinett und der zehn Jahre ältere Kirchhof der bis dahin jüngste Bundesverfassungsrichter. Im zunächst so

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